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Der Brombeerpirat

Der Brombeerpirat

Titel: Der Brombeerpirat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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Gelassenheit. Auch wenn einem eine solche Einstellung keine glänzende Karriere bescherte, sie ließ einen zumindest ruhig schlafen.
    Wencke Tydmers schlief mit Sicherheit auch ihren unschuldigen, süßen Schlaf. Sie schien ein reines Gewissen zu haben, vielleicht hatte sie tatsächlich lediglich ihren seltsamen Bruder besuchen wollen, nicht nur vielleicht … Denn was Axel Sanders sich noch sehnlicher wünschte als die Seelenruhe dieses schlafenden Mannes neben ihm, war die grundehrliche, diese wunderbar offene Art seiner Vorgesetzten, seiner Konkurrentin, seiner heimlichen Liebe …
    Er drehte den Kopf ärgerlich zur Seite. Wozu einen eine schlaflose Nacht in einem fremden, kuscheligen Doppelzimmer doch alles hinreißen konnte.
    Die Leuchtziffern des Radioweckers verrieten ihm, dass es bereits 23 Uhr war. Um diese Zeit schlief er normalerweise seit einer halben Stunde. Sanders hatte einen genauen Plan, den er befolgte, um so seine Energie auf den höchsten Level zu bringen. Ein ganz besonders wichtiger Punkt in diesem Plan waren acht Stunden Nachtschlaf. Wenn er sie heute nicht bekam, und alles sah danach aus, dass es eine grauenvolle Nacht werden würde, dann wäre er morgen nicht in dem Maße einsatzbereit, wie man es von ihm gewohnt war. Diese Erkenntnis setzte ihm zu. Er hatte fast keine Chance, diesen Fall hier zu seiner eigenen und zur allgemeinen Zufriedenheit zu lösen.
    Er könnte nur versuchen zu schlafen, mit ein wenig Meditation würde es vielleicht sogar funktionieren, auch das hatte er beim Seminar auf Menorca gelernt. Konzentriertes Abschalten. Er versuchte, seine mentale Mitte zu finden. Doch die Gedanken begannen sich jedes Mal selbständig zu machen, sie kreisten wie von Zentrifugalkraft getrieben in seinem Kopf umher. Er fand zwar die Mitte, doch die verhängnisvollen Fragen und Antworten schleuderten ihn jedesmal wieder zurück ins Chaos.
    Wencke suchte ihren Bruder. Jasper Tydmers war ein Mann mit beschämender Neigung zu blutjungen Mädchen. Leefke Konstantin hatte engen Kontakt zu Tydmers. Er hat sie durcheinander gebracht und ins Unglück gestürzt. Sie ist vom Klinikdach gesprungen. Oder gesprungen worden? Von Jasper Tyd mers? Wenckes Bruder auf der Flucht? Und Wencke fungierte als Helfershelferin?
    Was stimmte von alledem und was war Gerücht, Geschichte vom Hörensagen, aufgebauschte Vermutung?
    Und vor allem: Was war vielleicht eigenes Wunschdenken?
    Der Wirrwarr im Kopf begann sich nur langsam zu ordnen.
    Ein klarer Fall von Selbstmord, von Verführung Minderjähriger und von Vereitelung einer Straftat unter widerrechtlicher Nutzung des Dienstausweises, das war es, was Axel Sanders dachte – und wollte.
    Das Karussell im Hirn kam zum Stehen, und Axel Sanders schlief ein, ein sanftes Lächeln auf dem Gesicht.

13.
    Remmer hatte die beiden betrunkenen Frauen im »Möpken« entdeckt. Ganz hinten an der Wand unter dem großen Blechschild mit Coca-Cola-Werbung hatten sie mit glasigem Blick ins Nichts geschaut und Sekt getrunken. Rika sah aus, als hätte sie geheult. Vielleicht kam es auch vom Zigarettenqualm, es war Montagabend, doch die Kneipe war voll bis in den letzten Winkel, und der Rauch kroch zwischen den Körpern hindurch wie Seenebel.
    Als er die schmale Treppe in den Keller hinabgegangen war, hatte er nicht vorgehabt, etwas zu trinken. Er wusste eigentlich gar nicht, was er überhaupt heute Abend vorgehabt hatte. Doch nun drängte er sich gleich an den Tresen, bestellte zwei Sekt und ein Bier und kämpfte gegen das Herzklopfen an. Rika hatte er hier nicht erwartet. Sie ging sonst woandershin. Wenn überhaupt. Oder war Jasper wieder aufgetaucht?
    Die beiden hatten ihn noch nicht bemerkt, so konnte er in aller Ruhe einen Blick riskieren. Rot stand Rika gut, sehr gut sogar, darüber konnte selbst der etwas entglittene Gesichtsausdruck nicht hinwegtäuschen. Die Frau neben ihr kannte er nicht. Er brauchte sie jedoch nur für einen kurzen Moment zu betrachten, um zu wissen, wer sie war: die gleichen störrischen Haare, wenn auch rot gefärbt; ein Paar Augen, die etwas schärfer zu sehen schienen als die Augenpaare ringsherum; ein kurzes, aber heftiges Lachen, welches die Lippen auseinander zog und die weißen Zähne zeigte, wie ein Vorhang, der sich öffnete, um eine sensationelle Show zu präsentieren. Dies musste Jaspers Schwester sein. Sie hatte einen ähnlich außergewöhnlichen Vornamen und arbeitete bei der Polizei, mehr wusste Remmer nicht. Jasper erzählte zwar viel, doch seine

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