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Der Brombeerpirat

Der Brombeerpirat

Titel: Der Brombeerpirat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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von sich erwartet hätte.
    »Ihr spinnt doch«, schimpfte Konstantin. Nur weil er auf dem Hügel die Übersicht wiedergewonnen hatte, meinte er, sich diesen Ton erlauben zu können. Doch sie waren noch nicht am Ende mit ihrer Lektion. Wie in stummer Übereinkunft nickten sich alle zu.
    »Geh in den Teich!«
    Er lachte. Die Jungen nahmen ihn von beiden Seiten und im Genick, er konnte sich nicht mehr rühren. Jetzt war das Grinsen von seinem Schweinegesicht verschwunden. Endgültig.
    Es war ein lächerlicher Kampf, den er da vollführte, als sie ihn gemeinsam über die Schanze trugen. Er röchelte panisch, Jens hatte seine Kehle mit festem Griff umfasst, er musste schwer atmen. Kein Mitleid, Leute, kein Mitleid. Zeigt es ihm.
    Sie stiegen über den runtergetretenen Zaun, und die scharfen, rostigen Drahtenden rissen Konstantins Sakko ein. Das Ufer war steil und schlammig, seine piekfeinen Schuhe kratzten durch den Matsch, versuchten Halt zu finden, doch Swantje und Pinki packten seine strampelnden Waden, sodass er hilflos war wie ein zappelnder Fisch, den man gerade aus dem Meer gezogen hatte. Er schien zu ahnen, dass er sich nicht mehr wehren konnte, als sie ihn an die Wasserkante schleppten. Ob er wohl dachte, dass sie ihn töten wollten? Hier, am helllichten Tag, mitten im Norderneyer Schwanenteich ersäufen wie eine überflüssige Katze?
    Sie schaukelten ihn hin und her und zählten: »Eins, zwei, drei …« Das Klatschen war lauter als der Schrei, den er ausstieß, als sein Hals wieder Luft holen konnte.
    Ein paar Menschen am anderen Ufer blieben stehen, schauten herüber, zwei alte Damen rannten staksig auf den kleinen Holzsteg, um besser sehen zu können.
    »Es ist nur ein Scherz, keine Panik, es ist nur ein Scherz«, rief Pinki ihnen zu. Und als Konstantin seinen Kopf wieder aus dem dunkelgrünen Gewässer erhoben hatte, legte sie sich auf den feuchten Uferboden und sah dem Mann in sein nasses, schockiertes Gesicht. »Und nun hör mir gut zu, Arschloch. Dies ist ein Scherz, kapiert? Genau so ein Scherz wie der, den du dir mit Oma Alide erlaubt hast.«
    Er erwiderte nichts. Ihre Worte hatten ihm das Maul gestopft. Seine Lippen klappten zusammen wie ein Buch, dass man zuschlug. Er gab keinen Mucks von sich. Tapfer richtete er sich auf. Bis zu den Knien stand er im Wasser, der schwarze Anzug klebte an seinem aufgeblähten Bauch. Weit hinter ihm sprudelte in einem mächtigen Strahl das Teichwasser in die Luft, und er sah aus wie ein gestrandeter Wal, der seine letzte Fontäne in der Himmel schoss. Dann lächelte er gequält, winkte den beiden Damen zu, die bereits am Anfang des Steges standen: »Es war nur ein Scherz. Sie wissen doch, wie die Kinder heutzutage sind.«
    Dann ließen sie ihn allein.

11.
    Rika lümmelte sich im Garten und rauchte, neben dem Aschenbecher stand ein Glas Sekt. Wencke spürte eine stickige Wut in sich, sie musste sich in Acht nehmen, um ihrer Gastgeberin nicht sofort und in diesem Augenblick mit all den Vorwürfen zu kommen, die sich in ihr aufgestaut hatten. Am liebsten hätte sie die Hängematte am oberen Ende abgeschnitten, damit Rika ohne Vorwarnung mit voller Wucht auf der Holzterrasse landete.
    Weshalb hatte Rika ihr am Telefon nichts über das tote Mädchen erzählt? Sie hatte über ihren Rücken gestöhnt, die letzte Nachtschicht verflucht und ihre Kommentare über Jasper losgelassen. Doch Leefke Konstantin hatte sie mit keiner Silbe erwähnt. Dabei musste sie doch fast dabei gewesen sein, als es passierte. Und auch über Jaspers zweifelhaften Ruf hatte sie Wencke nicht aufgeklärt, sie hatte sie sogar noch in die Höhle des Löwen geschickt. Von wegen, Jasper hat da ein paar Schwierigkeiten mit Veit Konstantin. Die letzte halbe Stunde hatte sie einzig und allein Rika zu verdanken. Und es war eine der schlimmsten halben Stunden ihres Lebens gewesen.
    Denn Sanders hatte sie die ganze Zeit mit seinem Blick fixiert. Sie kannte den Ausdruck, sie wusste ihn zu deuten. Er wartete nur darauf, dass sie einen Fehler beging, in ein Fettnäpfchen trat oder sich sonst wie blamierte. Und er erwischte sie des Öfteren dabei. Den anderen Kollegen mochte es wohl entgehen, sie aber war sich des Kleinkrieges bewusst, den Sanders seit ihrer Beförderung angezettelt hatte. Normalerweise interessierte es sie nicht im Geringsten. Doch heute war es anders: Sie hatte sich einen groben Schnitzer erlaubt. Wenn er wollte, so könnte er sie noch heute mit einem Anruf in Aurich bloßstellen. Sie hatte zwar

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