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Der Brombeerpirat

Der Brombeerpirat

Titel: Der Brombeerpirat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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nicht durch den Hörer zu schicken. Woher hatte er diese Telefonnummer? Wahrscheinlich in seinem kleinen blauen Notizbuch irgendwann sorgsam notiert, für den Fall der Fälle, so wie heute, und man kann ja nie wissen.
    »Schatz, ich bin gut gelandet. Wollte ich dir nur sagen, damit du dir keine Sorgen machst.«
    Nicht eine Sekunde lang hatte sie sich Sorgen gemacht.
    »Das ist lieb von dir.«
    »Das Wetter ist zur Zeit nicht so überragend. Doch der Osten von La Palma soll ja angeblich der Teil mit der höchsten Niederschlagsmenge der gesamten Kanarischen Inseln sein.«
    »Aha«, antwortete sie lahm. War so ein Auslandstelefonat nicht unglaublich teuer?
    »Ist Jasper schon wieder aufgetaucht?«
    »Wie bitte?« Sie hatte ihn sehr gut verstanden, trotz des Rauschens in der Leitung, seine Stimme war glasklar.
    »Ob Jas-per schon wie-der auf-ge-taucht ist!«, wiederholte er laut, als spräche er mit einer Schwerhörigen. Wencke stellte sich vor, wie er irgendwo in einer spanischen Telefonzelle in der Pampa stand und in den Hörer schrie.
    »Ansgar? Tut mir Leid, ich kriege dich kaum mit!«
    »Ich verstehe dich sehr gut. Schatz? Wencke? Alles in Ordnung?«
    »Bist du noch dran?«
    »Ja, ich bin noch dran. Es ist alles in Butter.«
    »Ich verstehe kein Wort«, sagte sie, dann legte sie auf.
    Rika kam die Stufen herunter, sie hatte sich schnell umgezogen und trug einen Ledermini, der ihre kräftigen Beine so richtig zur Geltung brachte. Doch ihre Haare waren super, zweifelsohne, sie fielen satt und dunkel auf das rote T-Shirt. Rika war die schönere von ihnen beiden heute Abend. Es war egal, ob Wencke sich nun noch umzog oder nicht.
    »Also los«, sagte sie. »Wo gehen wir hin?«
    »Kneipentour, dachte ich. Hier gibt es so viele Bars und Lokale, es wäre schade, wenn wir sie nicht alle abklappern würden. Und irgendwo bleiben wir dann hängen.« Es war Rika nicht mehr anzumerken, dass sie zu viel getrunken hatte und unter Rückenschmerzen litt.
    Und Wencke freute sich darauf, ihrem total versauten ersten Urlaubstag mit einer Menge Rotwein und ungezählten Zigaretten die Krone aufzusetzen.
    »Vielleicht treffen wir Remmer«, sagte Rika. »Er ist einer von den Piraten, aber ganz solide und vernünftig. Du wirst ihn mögen.«
    Das bezweifelte Wencke stark.

12.
    »Gute Nacht, Britzke.«
    »Nacht.«
    Sanders lag unzufrieden, sehr unzufrieden neben seinem Kollegen im Ehebett und versuchte zu schlafen. Sie waren in einem kleinen Hotel gelandet. Ein romantisches, zitronengelb gestrichenes Doppelzimmer mit französischem Bett, Blumengardine und separater Dusche mit Klo hinter der weißen Tür gegenüber.
    Zu dumm, dass die beiden freien Quartiere im Personalgebäude der Polizei ausgerechnet in dieser Woche renoviert werden mussten.
    Er trug nur seine Unterhosen. Das Hemd musste morgen noch einmal herhalten, und die Hose hing zum Trocknen über dem Handtuchhalter im Bad. Er hatte lange geschrubbt, bis diese verdammte Fahrradschmiere aus dem Stoff verschwunden war. Dieses rostige, verfluchte Vehikel, es war Wencke Tydmers’ Rad. Sie hatte es zum Polizeirevier geschoben, und er hatte sie in diesem Moment noch ein wenig mehr verflucht, als er es ohnehin schon tat.
    Sanders wälzte sich auf den Rücken. Eigentlich schlief er auf der rechten Seite, weil dies laut seinem Physiotherapeuten für den Kreislauf und den Rücken die optimale Haltung war. Doch heute ging das nicht, denn dann hätte er Meint Britzkes behaarte Schulter direkt vor der Nase gehabt, und das war unzumutbar.
    Also starrte er an die Decke und überlegte, was am heutigen Tag eigentlich das Schlimmste gewesen war.
    Es war nicht die schlechte Laune der Kollegen heute Morgen in Aurich gewesen, auch nicht die Fahrt mit der Fähre auf eine Insel, die sich als kleine, mondäne Stadt entpuppt hatte.
    Alles erträglich, auch der knurrende Magen, alles im Rahmen des Machbaren. O.K., der Anblick von Wencke Tydmers im Wohnzimmer der Familie Konstantin war schon starker Tobak gewesen, und als er und Britzke die letzte Fähre zum Festland nur um ein paar Minuten verpasst hatten, da hatte er auch den Kaffee aufgehabt. Aber das Schlimmste, das absolut Schlimmste heute war diese Gleichgültigkeit in Wencke Tydmers’ Gesicht gewesen, als er ihr den Marsch geblasen hatte.
    Axel Sanders drehte sich auf den Bauch. Meint Britzke atmete unangenehm dicht neben ihm in ruhi gen, gleichmäßigen Zügen. Er schlief schon. Manchmal wünschte Sanders sich nur ein kleines Stückchen von Britzkes

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