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Der Brombeerpirat

Der Brombeerpirat

Titel: Der Brombeerpirat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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feiern«, sagte Pinki eigentlich ziemlich leise, aber alle hatten es gehört. »Wir sollten sie hier hinlegen, ein Sarg mit Blumen und so, und die Piraten sollten dazu spielen. Ich glaube, das hätte sie gewollt.«
    Die anderen nickten wortlos. Was sollten sie auch schon sagen. Jeder von ihnen wusste, dass sie Recht hatte.
    »Sie werden es nur niemals erlauben.«
    Es war so schön, dass niemand sich aufregte. Es tat so gut.
    Die wunderbar laute Musik verstummte so plötzlich, dass alle mit einem Ruck hochfuhren. Stille kann manchmal erschreckender sein als Lärm.
    Veit Konstantin stand neben der Anlage. In seinem schwarzen Sakko sah er noch unmenschlicher aus, als er es ohnehin schon war. Pinki fand es lächerlich, dass er Trauer trug. Jeder hier wusste, dass Leefke ihm nichts bedeutet hatte. Doch der Blick in seinen Augen wühlte die Angst wieder hervor, die Angst und den Schmerz, den sie eben für einen kurzen Moment unter Kontrolle gehabt hatte. Nun brannte ihr Innerstes erneut.
    »Saubande. Macht, dass ihr hier wegkommt. Schämt ihr euch nicht? Leefke hat sich das Leben genommen, wegen euch. Wegen euch! Und ihr habt nichts Besseres zu tun, als hier rumzugammeln wie eh und je. Ihr habt einfach keinen Anstand in den Knochen.«
    Pinki blickte sich um. Keiner rührte sich. O Gott, wir sind alle so klein, wir sind alle so wehrlos ohne Leefke, dachte sie. Wer soll sich jetzt noch für uns einsetzen?
    Fast war es, als ständen ihre Beine von selbst auf, als biege sich ihr Rücken aus eigener Kraft in die Senkrechte, als sprudelten die Worte ohne ihr Zutun aus dem Mund: »Wenn du glaubst, du kannst die Wahrheit verdrehen, dann hast du dich aber gewaltig getäuscht, Alter!« Sie richtete ihren Blick auf die hellen, wütenden Augen, die in Konstantins rotem Gesicht klafften wie Schießscharten. Schau nicht weg, Pinki, schau nicht weg, er kann dich nicht treffen, er kann dir nichts tun. Er hat die gleichen Augen wie Leefke. Stell dir vor, du betrachtest ihn durch ein Visier, ziel auf seine Stirn, und bevor er dich zunichte machen kann, zerstöre ihn.
    Er sagte einen Moment lang nichts. Doch er schien nur nachzuladen. »Ihr habt doch alle kein Ziel, keine Perspektive.« Also gut, er schoss mit scharfer Munition. »Ihr lebt aus den dicken Geldbeuteln eurer Eltern, die sich dafür krumm arbeiten. Tagein, tagaus sind wir für die Gäste da, und ihr verscheucht sie wieder mit euren Zigarettenkippen überall und den Bierdosen in den Blumenbeeten. Wisst ihr, was mit euch ist? Es geht euch zu gut. Ihr habt den Jugendtreff, ihr habt eine superteure Skateboardanlage, ihr könnt surfen und Volleyball spielen. Ihr habt einfach alles, und was tut ihr: nichts! Ihr seid so leer im Kopf, dass ihr vom Dach springen müsst.«
    »Leefkes Kopf war zu voll, du Scheißkerl.« Pinki war so rasend, so wütend. Dieser Mann hatte neben ihrer besten Freundin gelebt und sie doch so wenig gekannt. Oder so wenig kennen lernen wollen. »Wenn du uns die Schuld daran geben willst, dass sie nun tot ist, dann hast du verdammt wenig von dem verstanden, was sie dir erzählen wollte.« Sie ging direkt auf ihn zu, stieg über die Bänke, die zwischen ihnen standen, Schritt für Schritt näherte sie sich ihm. Und sie täuschte sich nicht, es war ein Funken Angst in seinem fetten Gesicht zu sehen. Sie würde diesen Funken zum Glühen bringen, nein, zum Brennen. Er sollte leiden. Er sollte büßen.
    Links neben ihr hatte sich Philip postiert. Es stärkte sie, ihn an der Seite zu wissen.
    »Kinder, wenn ihr mir drohen wollt, dann seid ihr bei mir aber an der falschen Adresse.« Es sollte wohl selbstsicher klingen, doch Pinki hörte die Luft zwischen den einzelnen Silben japsend entweichen. Sie hatten ihn bald so weit. Swantje stand mit beiden Beinen auf der Steinplatte des Altars und war nun einen ganzen Kopf größer als er. Konstantin knöpfte hektisch an seinem Hemdkragen herum. Sein schwammiger Hals quoll zuckend hervor. Auf seiner Glatze glänzte es feucht und rot, doch sein Gesicht grinste noch immer. Wilko nahm Pinkis rechte Hand. Sie fühlte sich sicher.
    »Mach, dass du hier wegkommst, Konstantin.« Jens hatte sich direkt vor ihm aufgebaut. Er war der Größte von ihnen, und er war stark. Jetzt wich der Alte zurück, er ging ein paar unsichere Schritte nach hinten. Dann drehte er sich hastig um und bestieg den kleinen Wall.
    Es war ein Genuss, ihn stolpern zu sehen.
    »Geh in den Teich, Dicker«, sagte Pinki so laut und durchdringend, wie sie es selbst nie

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