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Der Brombeerpirat

Der Brombeerpirat

Titel: Der Brombeerpirat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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was du willst. Ich kenne dich nicht. Ich habe nur einmal mit dir gesprochen, und das war ein Fehler. Ich werde nicht darauf hören, was du sagst!«
    Sie hatte sie erkannt. Sie waren nur ein paar lächerliche Meter voneinander entfernt. Und doch war es fast unerreichbar weit. Pinki hatte sich bereits mit dem Oberkörper ein großes Stück über die Brüstung gedrängt. Ein brutaler Windstoß hätte sie hinuntergestoßen oder eine unbedachte Bewegung. Es gab nur Worte, um sie wie mit einem Strick auf dem Dach zu halten.
    »Du irrst dich, wenn du sagst, dass du mich nicht kennst. Vielleicht hätte ich dir bei unserem Gespräch mehr über mich erzählen sollen, als dir nur zuzuhören. Dann hättest du begriffen, dass ich gar nicht so weit von dir entfernt bin. Dass wir beide verdammt viel gemeinsam haben.«
    »Was bringt das?« Der Wind und der rasende Donner verschluckten beinahe jedes Wort.
    »Du stehst nicht allein auf dem Dach. Genau wie Leefke nicht allein war, als sie sprang. Es gibt viel zu viele Menschen, die verstehen, was in dir vorgeht. Und wenn du springst, dann reißt du sie alle ein Stück mit in die Tiefe!«
    Irrte Wencke sich, oder rutschte Pinki ein kleines, Hoffnung weckendes Stück nach unten? Sie versuchte es erneut. »Ich habe selbst einmal am Abgrund gestanden. Kein Mensch hat mir das Gefühl gegeben, dass ich bleiben sollte, also dachte ich, ich könnte am besten gehen. Aber das war verkehrt!«
    »Es ist nicht verkehrt! Leefke hat es auch getan, und die hat sich nie geirrt. Sie kannte ihr Schicksal und hat es richtig gemacht!«
    Wencke spürte den Schmerz dieser Worte. O Gott, wie sollte sie diesem Mädchen nur die Angst nehmen, hier oben, näher dem Himmel als dem Boden der Tatsachen. Hier oben kam es einem beängstigend logisch vor, dass man der Gewalt des Lebens hoffnungslos ausgeliefert war. »Leefke hat es vermasselt!«
    »Nein!«, schrie Pinki. »Nein, sie hat es verstan den! Sie ist gesprungen, weil es der einzige Weg für sie war. Ich war doch dabei! Ich habe sie doch gesehen! Sie hatte keinen Zweifel in ihrem Gesicht, als sie ü ber die Mauer kroch, als sie den Halt verlor. Sie hat es gewusst!«
    »Nichts hat sie gewusst! Hörst du: nichts! Niemand trifft die Entscheidungen für einen, nur man selbst. Du kannst springen, und du kannst leben. A ber schieb es nicht auf ein abgebranntes Streichholz, dass du aufgegeben hast!«
    Pinki zog sich nach oben, schob ihr Bein über die Mauer, sie hielt die Balance, schwebte mehr und mehr über der Tiefe, es war nur ein Hauch, der sie vom Absturz trennte.
    »Schau nach unten!«, schrie Wencke. Sie konnte nicht sehen, was sich unter der Brüstung befand, dazu war sie zu weit entfernt. Sie konnte nur hoffen, dass Pinki nicht in eine schwarze, verlockend einsame Tiefe blicken würde. »Schau nach unten!«
    Pinki blickte hinab, riss die Augen auf, ein gleißender Blitz erhellte eine Sekunde lang die schwere Dunkelheit. »Was wollt ihr?«, rief sie schluchzend. »Geht da weg, ich werde fallen!«
    Langsam, fast unmerklich näherte sich Wencke dem Geländer.
    »Ich habe gesagt, ihr sollt verschwinden!« Doch der Körper des Mädchens sank in sich zusammen, krümmte sich, fiel vornüber auf die Mauer, wo sich die nassen, zitternden Hände krampfhaft in die Fugen krallten. Und dann konnte Wencke sie packen, sie schob ihr einen Arm um die Taille und griff mit der anderen Hand ihr Bein. Pinki zuckte, wehrte sich schwach, doch sie hatte sich zu fest an ihren letzten Halt geklammert, sie konnte nicht loslassen.
    Dann schaute Wencke über die Brüstung. In der Dunkelheit unter ihnen konnte sie einzelne Gesichter ausmachen, Menschen mit Taschenlampen, winkende, rufende Gestalten in der Tiefe. Es waren nicht nur ein paar, es waren viele. Es waren mehr, als man auf den ersten Blick hätte zählen können. Und sie alle waren da, um ihr zu helfen. Um Pinki zu helfen.
    »Was machen die da?«, wimmerte Pinki. »Die sollen mich allein lassen.«
    »Sie können es nicht«, flüsterte Wencke. Sie hatte ihren Kopf in Pinkis Nacken gelegt und atmete warm in das wirre Mädchenhaar. »Sie können dich nicht allein lassen, weil sie dir dazu viel zu nahe sind.«
    »Ich kenne sie nicht. Ich kenne keinen einzigen da unten. Es sind Fremde!«
    »Es sind deine Freunde, Pinki. Und wenn du fällst, dann werden sie dich auffangen. Sie werden alles tun, um dich zu behalten, verstehst du?«
    Wencke konnte spüren, wie der Körper unter ihr mit jedem Atemzug weicher wurde, so als löse sich

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