Der Bronzehändler
Binsenvorhang hochrollte. »Wir trauern alle mit dir. In drei Tagen, sagt Jehou, segeln wir zurück zu Mlaisso.«
»Danke, Netji.« Karidon streckte sich auf der gemauerten Liege aus, sprang auf, leerte einen Becher warmes Bier und stierte das Ölflämmchen und den Rußfaden an, fühlte, wie die Müdigkeit langsam von ihm Besitz ergriff; er konnte nicht einschlafen. Seltsame Vorstellungen suchten ihn heim, in denen Tamahats Körper zerschnitten in ätzendem Salz lag.
21. Stille, Träume und Aufbruch
Jehoumilqs Finger gruben sich hart in die Muskeln des Ellbogens, seine Augen wurden dunkel, er kniff die Lider zusammen und brummte: »Hast du geschlafen, Söhnchen?«
»Wenig. Es geht mir alles im Kopf herum, Jossel. Ich denk nur Nachtgedanken. Meine Träume sind öde und wirr. Tamahat war die Frau, von der ich geträumt hab, seit du viel zu viel Gold für mich an den Sklavenschinder gezahlt hast.«
Sie saßen am Lukenrand vor dem Mast. Die Morgenröte war leergeräumt. Die Truhe, in der sie den Mehrwert ihres Handels aufbewahrten, füllten pralle Lederbeutel voll körnigem Gold. Jehoumilq, ungewöhnlich ernst, schwenkte den Weinbecher.
»Ich hab dich als halbverhungertes Kind gekauft, Krabbe. Sag mir: war ich jemals ungerecht zu dir, oder gegen euch?«
»Ich kann mich an vieles erinnern, Kapitän. Aber daran nicht. Warum fragst du?«
»Aus vielen Gründen. Du warst verstockt und störrisch wie ein ... keftischer Esel, ich war grob und rau. Aber du hast alles gelernt, was ich dir beibringen konnte. Richtig?«
Karidon nickte. Er hob den Kopf, als das Schiff ein wenig schwankte, wie unter einer Bö: Nefer-Ihat, ein geknotetes Bündel in der Hand, ließ sich vom Ende der Planke an Deck gleiten. Karidon lächelte und winkte sie zu sich heran.
»Richtig«, sagte er. »Und ein paar Sachen hab ich noch ganz nebenbei woanders gelernt, Neb Kapitän. Sprachen, Lesen, Schreiben. Seit wir bei Mlaisso waren, erstaunt und bestürzt mich dein Benehmen; ich kenn dich ganz anders. Was hast du? Sag's mir, Jossel.«
Nefer-Ihat setzte sich neben Karidon und lehnte sich leicht an seine Schulter. Er griff nach dem Weinkrug und goss einen Becher voll. Jehoumilq, der alles über Tamahat, Chakaura und Nefer zu wissen schien, betrachtete Nefers Schultern und ihre Brüste und sagte:
»Dieser Schmied mit den verbrannten Unterarmen, Keiron, hat mich zum Nachdenken gebracht. Ich werd ihm eine Frau kaufen, eine, die viel kostet; auch mir jemanden ... kaufen, die auf gute Art meine Ruhe teilt. Es gibt hundert Strande auf Kefti. Willst du die nächsten Jahre allein mit der Morgenröte herumsegeln und Wertvolles unter die Leute bringen?«
»Ja, Jehou.« Karidon hatte die Frage lange erwartet. »Der Grund, weshalb du aufhören willst – liegt er tiefer?«
Nefer-Ihat trank den Wein in kleinen Schlucken und beugte sich vor; ihr Blick forschte in den Gesichtern. Jehoumilq hieb die Pranke auf den Oberschenkel und lachte, dann sagte er: »Cabul! Ich blicke zu den Sternen auf, aus denen unser Reichtum gekommen ist. Und ich steh mit beiden Beinen auf der Erde. Ich hab mir ein paarmal schon vorgestellt, wie es ist, wenn ich die Sterne anstarr und dabei ertrinke, oder todkrank sterbe, ohne dass ich von den Nachtgöttern Hilfe erfahre. Ich bin alt genug; etliche Kupferkästchen voll Gold und Silber sind in den Gewölbemauern versteckt.«
Karidon musste grinsen. Er legte Jehou den Arm um die Schultern und schüttelte den Kopf.
»Du bist wirklich der größte und listigste Händler im Großen Grünen, Jossel.«
»Bronzehändler«, sagte Nefer-Ihat leise. »In wie viel Jahren, Käpten, willst du wirklich damit beginnen, aufzuhören?«
Jehoumilq hob die Hand und deutete nacheinander auf die Finger. »Ausschlafen, das Schiff ausbessern beim Gutshof, neue Ladung, nach Gubla zum Sklavenmarkt, nach Alashia, wenn ich nichts Passendes finde. Nach Arni, auf Kefti; das war's dann. Wenn du meinen Rat brauchst, Kari – du weißt, in welcher Bucht ich zu finden bin.«
»Ich weiß es.« Karidon nickte langsam und griff nach Nefer-Ihats Hand. »An einem weißen Strand im Norden Keftis. Wir nehmen dich mit ins Häuschen, Nefer. Was wird mit Tamahat geschehen? Was sagt der Goldhorus?«
»Die Diener aus dem Tempel haben sie weggetragen. Ein schmächtiger Priester, Merire-Hatchetef, hat mit mir gesprochen. Wenn deine Prinzessin in ihrem Grabmal verschlossen ist, kommt er, um mit dir zu reden; in fünf Zehntagen, hat er gesagt. Wo sind all eure Leute?«
»Sie
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