Der Bronzehändler
Magen bildete sich ein steinharter Klumpen. Plötzliche Schwäche ließ seine Finger zittern und lahmte die Knie; er fühlte, wie das Blut aus seinem Gesicht wich. Zwischen den Gestalten, die auseinanderglitten, legten sich Lichtstreifen über das Bett und die halbverhüllte Gestalt. Karidon setzte sich auf die Kante und nahm Tamahats Finger. Sie waren trocken wie Binsenblätter, dünn und heiß.
Tamahat holte seufzend Luft und sagte stockend: »Lasst uns allein, alle. Bleib bei uns, Nefer. Bring mir Wein, mit viel Wasser; kalt. Kari – ich will nicht im Dunklen sterben. Bring mich in die Sonne, zum Teich, du weißt schon.«
»Tamahat. Ich ...« Karidon wartete, bis die Dienerinnen und die Ärzte den Raum verlassen und Nefer-Ihat den Vorhang zur Terrasse aufgezogen und die Türen aus Flechtwerk aufgestoßen hatte. Sonnenlicht und kalte Phamenatluft fluteten in den Raum. »Ich bring dich zum Teich, Liebste.«
Karidon hob die Prinzessin mitsamt den Tüchern auf seine Arme. Ihr Körper war leicht wie der eines Kindes. Im klaren Licht sah er ihr Gesicht: ohne Schminke, schmal, eingefallen, mit brennenden Augen unter haarfeinen Brauen. Nefer-Ihat faltete Decken auf der breiten Steinkante; Karidon setzte Hathor-Merit ab. Sie lag halb an seiner Schulter und blinzelte; ihre Stimme blieb ein dunkles, raues Flüstern.
»Das Sumpffieber, Liebster, hat mich eingeholt. Ich atme schnell und fühl, dass ich ersticke. Die Bilder verwirren sich vor meinen Augen.«
Ihr Körper zitterte in Karidons Armen. Die Dienerin glitt barfuß über den Sand und führte Karidons Hand zum Becher. Er setzte ihn an Tamahats Lippen; sie schluckte gierig, keuchte, öffnete die Augen und drängte sich an ihn. Er erkannte in ihrem Blick, dass sie es wusste: vom Heck der Sonnenbarke trennten sie nur Stunden. Aus ihren Mundwinkeln rannen hellroter Wein und Speichel.
»Kari. Liebster. Mein Grünauge. Ich bin hässlich geworden, ganz bleich; mein Körper ist überall geschwollen, und es tut furchtbar weh. Manchmal schlägt mein Herz schneller als eine kleine Trommel.«
Karidon nahm das feuchte Tuch, das mit Riechölen getränkt war, aus Nefer-Ihats Fingern und tupfte Tamahats Gesicht ab. Ihr Haar, einen Fingerbreit kurz, war an den Schläfen und mitten über der Stirn grau geworden. Er war starr vor Schmerz. Tamahats Gesicht verschwamm vor seinen Augen; er verstand, was sie flüsterte.
»Was ich noch sehen kann, dreht und wirbelt vor meinen Augen. Ich sterbe, Kari.« Sie keuchte und bohrte die Fingernägel in seine Haut. »Ich bin alt und hässlich. Du weißt, dass ich dich liebe, Kefti-Kapitän.«
»Ich weiß es, Tamahat. Ich habe es immer gewusst.« Karidons Stimme zitterte wie seine Finger, mit denen er ihr glühendheißes Gesicht liebkoste. »Du bist meine einzige Liebe. Bei jeder Welle hab ich an dich gedacht, und bei jedem Stern, den ich gesehen hab. Immer, überall. Auf Kefti, Alashia, in Gubla, Uschu und Kush.«
»Du hast es immer gesagt, Kari. Und du liebst auch meinen Bruder, seit er entrückt worden ist, und er hat immer versucht, mich an Mächtige Männer zu verheiraten, im Land und jenseits der Grenzen, und trotzdem bin ich geblieben und hab auf dich gewartet, mein Grünauge ... halt mich, ich bekomm keine Luft mehr ...«
Ihre Worte wurden hastiger, sie sprach drängend, stotterte, im Pa-Beseth-Dialekt, erzählte von wirren Träumen; es schien Karidon, als schwände mit jedem Wort etwas von ihrem Leben. Finger, Handgelenke und Arme waren dünn geworden, die Finger fuhren ziellos, wie Spinnenbeine, über das Leinen und Karidons Arme. In ihrem bleichen Gesicht, schutzlos, schmal und hohlwangig, wüteten Schmerz und Todesfurcht. Sie nahm Karidons zitternde Hand und legte sie auf ihre Brust: unter den Fingerkuppen spürte er das Herz rasend schnell hämmern. Sie keuchte und krallte sich an Karidons Hals fest. Er hob den Kopf und begegnete Nefer-Ihats Blick; sie weinte hemmungslos und verschüttete Wasser und Wein. Auf den weißen Stein tropften tiefrote Punkte, wie damals ... plötzlich bebte Tamahats Körper, bäumte sich zuckend auf, ein Fuß trat ins Wasser und überschüttete sie und Kari mit einem Regen golden durchfluteter Tropfen. Die Lotosblüten schaukelten, ein Frosch sprang mit einem Satz ins Gras. Hathor-Merits Finger fuhren ziellos über Karidons Gesicht, die Nägel rissen seine Haut auf. Tamahat wimmerte, stöhnte und verkrampfte sich. Ihr Körper bog sich nach hinten, rutschte aus Karidons Armen; ihn traf ein dunkler
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