Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Bronzehändler

Der Bronzehändler

Titel: Der Bronzehändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
Vom Netzwerk:
verschwunden, aber die löwenköpfige Sachmet deutete mit dem goldenen Zepterstab auf Karidons Kopf, schien mit Geb, Schu und Tefnut, den Urgöttern, über Karidon zu sprechen; Ptahs und Chreduankhs Sohn Imhotep, der weise Schutzherr der Schreiber, las über Karidons weiteres Leben in der silbernen Shafadurolle und wandte sich dem mumiengestaltigen Osiris zu, dem Herrscher der Unterwelt.
    Karidon merkte nicht, dass sein Oberkörper sich drehte und schwankte. Er blickte in ein Flämmchen und dachte an sich, sah sich in vielen Bildern, lauschte Gefühlen und Bedeutungen nach und merkte, wie sich Vergangenes mit Gegenwärtigem verband und, wie Sachmets Stab, in die Zukunft deutete: er fand sich am Ruder der Morgenröte, sprach mit bleichhäutigen Menschen, stapelte Zinnbarren, umarmte langgliedrige Frauen, segelte entlang nie gesehener Ufer unter fremder Sonne und in unbekannten Winden, sah sich im rasenden Farbrausch reicher Feste und ausgestreckt schlafend im Schatten duftender Bäume. Er erkannte seinen Schatten auf jenen Quadern, mit denen die Höhle der Erinnerungen zugemauert war, und erlebte an Keftis Küste die Ahnung des Sonnenaufgangs.
    Als er aufstand, sah er sein Spiegelbild der Zukunft in Rê-Harachtes Sonnenscheibe: älter als Jehoumilq, weißhaarig, sonnengebräunt und selbstbewusst lächelnd. Merire hatte den Tempel verlassen, und als Karidon, todmüde und vom Weihrauch halbbetäubt, sich zwischen den Säulen dem Ausgang näherte, sagte er leise:
    »O ihr Götter. Es ist leicht, in eurer Gegenwart nachts die Fragen zu beantworten, die an vielen Tagen gestellt wurden. Aber waren es die richtigen Antworten?«
    Karidon blieb stehen. Über dem Fruchtland leuchtete die Morgendämmerung. Die Nacht war zu schnell vergangen; hatte er geschlafen, ohne gemerkt zu haben, wie er aufwachte? Er atmete tief, die Luft war kühler als sonst und roch nach Aufbruch, Ferne und Abenteuer; als Rê-Harachtes Gestirn über die östlichen Dünen stieg, war das Morgenlicht heller, das Blau des Himmels klarer und die Schatten länger und schwärzer. Karidon blinzelte in die Sonne und ging durchs taufeuchte Gras zum Palast.

ENDE
    ******

    www.boox.to

Erläuterungen

    Fast alle ägyptischen Namen, Begriffe und Ortsbezeichnungen, die heute von Wissenschaft, Ägyptenliebhabern und Touristen verwendet werden, sind griechischen, lateinischen oder ägyptisch-arabischen Ursprungs und daher im ägyptischen Altertum unbekannt. Von der Reichsgründung um ca. 3000 v. Chr. bis etwa 600 v.Chr. sprachen und schrieben die Rômet (= Menschen) am Hapistrom (= Nil, von gr. Neilos) ihre »altägyptische« Sprache.
    Hapi war der Flussgott und der Strom, er wurde auch Jotru (= das Wasser) genannt. Die Begriffe Ägypten, Ägypter, ägyptisch stammen vom griechischen »Aigyptos« (vermutlich von »Hikuptah«, Tempel des Ptah in Memphis). Wahrscheinlich zugleich mit der Erfindung der »Götterworte«, der Bildzeichenschrift (gr. Hieroglyphen; hieros = heilig, uralt; glyphein = aushöhlen) meist von rechts nach links, stets aber in die Blickrichtung der Tier- und Menschenzeichen, geschrieben, wurde die sog. hieratische »Schnell«schrift benutzt, eine einfacher und leichter schreibbare Variante mit schwarzen, mitunter roten Schriftzeichen fast ohne Interpunktion. (Der älteste »Papyrus«fund stammt aus ca. 2870 v. Chr.) Mit Pinselchen aus Binsenstengeln schrieb man auf sehr dünnes »Papier« aus aufeinandergeklebten, geglätteten und gebleichten Binsenmarkstreifen; die 25 Konsonanten und zuletzt knapp 1000 Hieroglyphen verwendete man ohne Vokale; die sog. Umschrift lässt daher den Ägyptologen unterschiedliche »Aussprache«-Möglichkeiten zu.
    Erst die Griechen nannten das Material, das Shafadu, Shefetu oder Papor (»das der Verwaltung«) geheißen haben mag: Papyros. Jene Binsenmarkbögen in »genormten« Größen, 47 cm hoch und 67 bis 94 cm breit, waren, da sowohl die Papyruspflanze als auch die Herstellung eine Art ägyptisches Monopol blieben, ein sehr teurer Exportartikel. Schrieben hochgestellte Persönlichkeiten ihre Briefe eigenhändig, las man: »selbst mit zwei Fingern geschrieben.«

    DAS LAND:
    Die Rômet nannten ihr Land Tarnen und gliederten es in Kême und Deshret, das Schwarze und Rote Land (das fruchtbare Land und die Wüste), in Ober- und Unterägypten, die »beiden Lande«, das der (Bit) Biene und der (Sut) Binse (südl. Stromufer und Mündungsdreieck). »Beide Lande« wurden schon von den ersten Herrschern vereinigt;

Weitere Kostenlose Bücher