Der Bronzehändler
trieb die Horus der Brandung auf Kap Krys zu, den westlichsten Punkt Alashias; als Jehoumilq die Krümmung der Südwestküste nach Steuerbord im Mittagsdunst verschwimmen sah, noch ehe das Falkenkap auftauchte, ließ er nach Südost steuern, dorthin, wo im Herbst die meeraufwühlende Skirr entstand. Noch vierundzwanzig Stunden ruhige Fahrt. Zeit genug für Arbeiten am Schiff, fürs Ausschlafen und für Gespräche.
Nach stundenlangem Rechnen, zu denen Jehoumilq die Finger und ein paar Holzkohlenstriche auf den ausgeblichenen Planken gebrauchte, zupfte er den Bart am Kinn zu einer stacheligen Spitze und brummte: »In der Werft Gublas brauchen sie ein Jahr, um die neue Horus zu bauen. Wenn's nach mir geht, kriegt sie auch nicht mehr diesen Vogelnamen: wir brauchen ein geräumiges Schiff, keinen Hapi-Schnellruderer. Und mein Haus über der Bucht muss auch nicht in einem Jahr fertig werden. Ich sag's euch: Wir bringen weiter Nechoschet für deinen Chakaura, Netji, und das Schiff werden wir ebenso bezahlen können wie das Haus. Es wird nur länger dauern und teurer werden.«
Ptah-Netjerimaat zog die Knie an die Brust und stützte die Arme darauf. Seine braunen Augen, durch feine Schminkstriche vergrößert, bohrten sich in die Gesichter Karidons und des Kapitäns an.
»Die Priester sind vielleicht nicht klüger als wir, aber sie schreiben seit vielen Jahrzehnten alles auf, was sie als Mittler zwischen Götter und Menschen erfahren. Von ihnen weiß ich auch, dass einst das Kupfer das Holz, den Stein oder das Horn und andere harte Dinge abgelöst hat. Und nun, seit Chakauras Großvatersvater zum ersten Mal dieses Nechoschet aus Alashia und Kefti erprobte, spricht jeder davon, dass sich die Welt ändert. Was, frage ich, wird sich wirklich ändern?«
Idris deutete auf den Kapitän, prustete durch den Kreis aus Zeigefinger und Daumen.
»Der Kapitän hat's schon gesagt«, rief er. »Die Nächte bei der Dirne werden kürzer, und ihr schnöder Schoß kostet mehr Kupfer.«
»Und das verdammte Anna-Metall, von dem wir noch immer nicht wissen, woher es kommt, wird unmäßig teurer werden«, sagte Karidon. »Wie Schiffbau und Hausbau. Wenn der junge Chakaura jemals genug Zinn oder Bronze haben will, muss er es im eigenen Land finden. Gold, Silber und Kupfer gibt's dort genug. Was sich ändern wird? Wir Händler werden an allen Küsten suchen müssen; nach Bronze und Anna-Zinn.«
»Also keine neue Zeit, die mit Finsternissen, Stürmen und furchtbaren Götterzeichen über uns Menschen kommt?«
Jehoumilqs Blick irrte ab; er stemmte sich in die Höhe und deutete nach Steuerbord. »Die Fische da zeigen auch keine Unruhe. Macht euch keine Sorgen, Freunde.«
Schweigend beobachteten sie das übermütige Spiel der Schnabelfische in den Wellen; schließlich schwammen sie vor der Horus nach Backbord und tauchten weg.
Einen weiteren Tag und eine Nacht brauchte die Horus , bis die Bucht von Kit vor ihnen lag. Karidon lehnte am Mast und zog die Schneiden des Bronzebeils ab, bis sie glänzten wie Gold. Als sie nach Nord umsteuerten, flirrten an Steuerbord die grellweißen Salzfelder von Myriaden funkelnder Sonnenblitze. Das Heck voraus legte das Schiff an einem unfertigen Kai aus Steinblöcken an; vierzehn Händlerschiffe lagen auf dem Sand oder ankerten im seichten, azurfarbenen Wasser. Am nächsten Morgen, als Jagro zum Schiff winkte, hob Karidon den Arm und rief: »Ich komme!«
Nur Jehoumilq und Ptah kannten Karidons Vorhaben; vier Tage und Nächte würde er im Innern der Insel verbringen.
In kochender Mittagshitze, in regloser Luft, die wie ein Dach aus Glutziegeln über der Bucht lastete, schleppte Kadran einen kniehohen Krug heran und wuchtete ihn an Deck. Er starrte Jehoumilq an, als wollte er ihn umbringen.
»Das letzte Salz ist an Bord, Käpten«, murmelte er.
Jehoumilq grinste wie ein fröhlicher Schakal. »Beeilt euch. Rennt! Schleppt! Wenn ihr eure Freude, den Messes überlebt zu haben, nicht so lange bei den Dirnen gezeigt hättet, wüsstet ihr mehr.«
»Was müssten wir wissen?« Karidons Blick wechselte zwischen Jehoumilq und Ptah-Netjerimaat. »Ist Bronze billiger als Olivenöl? Ist die Horus schon wieder leck, oder was?«
Der Kapitän hob den Arm und stach den Zeigefinger gegen Karidons Brust.
»Gerüchte. Wahrscheinlich die nackte Wahrheit. Der alte Gottkönig ist tot. Seit dem Aufgang des Sepedet.«
»Der junge Chakaura sitzt mit einer Backe schon auf dem Thron«, rief Mlaisso aus dem Heck.
»War zu erwarten«,
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