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Der Bronzehändler

Der Bronzehändler

Titel: Der Bronzehändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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Gesicht?«
    »Du willst ein gut fünfzig Ellen langes Schiff, Jossel Ju; nicht zu dickbäuchig wie ein Handelssegler, aber nicht so schlank wie euer Rômetfloß. Von allem etwas. Lotosblüten, Falkenkopf, Udjat-Augen, ein geschlossenes Heck mit großen Luken, ein Schiff zum Segeln und Rudern. Soll's auch Räder haben und Deichseln, oder Flügel?«
    »Flügel – wären gut! Dicht soll's sein.« Karidon, der zum ersten Mal den Kindernamen des in Gubla aufgewachsenen Kapitäns hörte, wich grinsend dessen Blick aus und betrachtete die geschwungenen Spanten und den mächtigen Kiel des Neubaus, der auf Steinquadern stand. »Für uns beide. Wir leben mehr auf dem Schiff als an Land. Deshalb die Zimmerchen im Heck. Steuer, Riemen und die Blöcke – nimm sie aus Mulkars Werkstatt. Wir segeln schon drei Jahre mit seinen Teilen.«
    Sibon kämmte Hobelspäne aus dem Bart und legte das Bein auf einen zweiten Schemel. Er runzelte die Stirn; seine Blicke wanderten vom halbfertigen Schiff zu den beiden Männern und hefteten sich auf die vielen Teilzeichnungen.
    »Gut. Abgemacht.« Die buschigen Brauen schoben sich auseinander. »Auch die hohle Holzsäule fürs Trinkwasser und die Sitzbretter für die Ruderer. Alle werden uns auslachen, Jossel. Meinetwegen. Ich bau euch das verdammte Schiff.«
    Karidon nahm Jehoumilqs und sein eigenes Rollsiegel aus dem Zedernkästchen und ließ Wachs, das er an der Glut unter dem Erdpechkessel erwärmte, in einer zwei Finger breiten Spur auf dem unteren Rand des Binsenmarkblattes abtropfen. Er rollte sein Siegel ab, Sibon suchte zwischen Zeichenkohle und Edelholzstücken sein Tonzylinderchen hervor; Jehoumilq siegelte als letzter. Sibon hielt ihm die offenen Handflächen entgegen. Der Kapitän schlug darauf, Karidon wiederholte die Geste, dann schüttelten sie einander die Unterarme und schickten einen Sklaven um Henket. Jehoumilq stellte einen schweren, etwa doppelt faustgroßen Lederbeutel auf die Werkbank. »Gutes Gold, Sibon. Dreimal gewogene Körner. Die erste Hälfte. Als würdest du für den Gottkönig selbst bauen, der dich mit Türkisen und Nub überschüttet wie mit Sand.«
    »Er würde nicht verlangen, dass ich ein hölzernes Seeungeheuer schaff!« Er deutete zum Strand, an dem sechs Mann schwere Zedernbretter, Klötze und Balken über die Bordwand der Horus wuchteten. »Habt ihr's eilig? In vier Monden könnt ihr das Schiff der Wunder sehen. Sieht so aus.«
    Er nickte dem Vorarbeiter im Bug des zweiten Schiffes zu, das halb mit zwei Finger dickem Nadelholz beplankt war. Der Sklave füllte vorsichtig drei liebevoll beschnitzte Becher; der Krug wurde leer.
    »Wir haben's eilig«, sagte Karidon. »Der junge Chakaura braucht alle Bronze der Welt ... woher kommt eigentlich das Anna-Metall, das bei dir in Gubla umgetauscht wird?«
    Die Ränder der Humpen klackten gegeneinander. Schaum tropfte ins Sägemehl. Sibons Bart schien sich zu sträuben.
    »Irgendwo östlich von Assur graben sie's aus. Karawanen bringen es zum Zederngebirge. Von den Schiffen, die nach Gubla kommen, weiß ich nur: aus dem Westen, nach langer Fahrt. Ich schwör's! Keiner wird es mir oder dir sagen. Nur einige Händler haben die Anna-Barren, und sie wären blöd, wenn sie erzählen würden, wo die Bergwerke sind. Dann käme jeder. Warum fragst du, Jossel Ju? Seit wir in den Gassen gespielt haben, verrät keiner, woher das Metall kommt.«
    Die Horus würde nicht das letzte Schiff sein, das mit Richtung auf Men-nefer Gubla verließ. Jeder, von dem Karidon gehört hatte, tauschte seine Ladung gegen Bronze ein und segelte zu den Rômet. In einem Mond, spätestens fünf Zehntagen, begannen die Herbststürme; Jehoumilq und er hatten, seit dem Payni-Mond, verdienstreich gehandelt, und im Laderaum stapelten sich nur Zedernholz und Nechoschetbarren.
    »Ich werde es eines Tages wissen«, sagte Karidon und leerte den Becher. »Zwischen uns, Werftherr Sibbi, ist der Handel besiegelt?«
    »Ihr bekommt ein gutes Schiff für euer gutes Gold.« Sibon zog sich am Bugspriet des Fischerbootes in die Höhe. »Eine gute Fahrt, Kapitäne. Segelt ihr auch nachts?«
    »Vielleicht. Hängt von der See ab. Genug Mondlicht hätten wir dazu.«
    Sibon brachte sie bis zur Horus , auf deren Deck Mlaisso die Brottruhe zur Luke zerrte. Kleine Flutwellen hoben das Heck vom Sand, die Haltetaue hingen schwer durch und spannten sich knarzend. Idris und Sagarqa stemmten die letzten Zedernbalken in die Höhe. Kadran ruckte an der Strickleiter, als Karidon die

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