Der Bronzehändler
du mich besuchst. Hier, an der Grenze zum Geisterland.«
»Wir Bronzehändler kommen weit herum, Kieferkundiger.« Karidon erwiderte die Begrüßung und ließ sich in die Halle ziehen. An den Wandungen zahlreicher Tonkrüge verdunstete Wasser. Stimmengewirr füllte den Raum, Diener eilten hin und her, Licht fiel durch leinenbespanntes Flechtwerk unter der Decke. »Sind die Boten durchgekommen? Weißt du, warum wir hier sind, abgesehen vom Salz und den Waffen?«
»In diesen Zeiten sind schlechte Nachrichten schneller als ihre Überbringer. Das Wenige, das ich noch nicht weiß, werdet ihr berichten. Kommt herein. Wir warten seit Tagen auf euch.«
Karidon nahm vom Schilftablett einer Kushitin einen Becher Bier. Der raue, feuchte Ton war kühl, das Mädchen, kaum mehr als ein Kind, starrte ihn schweigend an, als sähe es ein Rätselwesen. Jehoumilqs Gelächter dröhnte zwischen den dicken Mauern, Mlaissos heisere Stimme übertönte das Zwitschern der Kinder. Karidon kramte ein Paket aus dem Watsack und hielt es unter dem Arm fest. Etwa ein Dutzend Kinder mit kahlgeschorenen Köpfen und dicken Zöpfen über dem rechten Ohr rannte zwischen den Besuchern umher. Jeder Raum, den Karidon und der Gaufürst durchquerten, zeigte das Heimweh der Bewohner nach Men-nefer oder No-Amûn. Durch Kanäle und Schlitze der Wände, unter gelben Sonnensegeln, drang kühle Luft in den Hof. Entlang der Mauern und auf der Granitbrüstung des Zierteiches, auf Bänken und Hockern, lagen bunte Kissen.
»Die Stromschnelle, aber das weißt du längst, ist unsere Grenze. Auch die Grenze in unseren Herzen.« Einige Frauen führten die Gäste zu den Sesseln. Nefer-Herenptah schob die Hände unter den klirrenden Brustschmuck und zuckte mit den Schultern. »Die Grenze zum Jenseits. Andererseits kommt aus dem unermesslichen Süden alles Begehrenswerte. Elfenbein, fremdes Getier, Pantherfelle, Zwerge, Kupfer oder Edelholz. Nur mein Glaube an den Goldhorus und sein Befehl – vielmehr der seines göttlichen Vaters – halten mich hier. Mich und Chertihotep, durch dessen Gau ihr gekommen seid.«
Die Ruderer des untadeligen Horus-Dutzends hatten sich gewaschen und umgezogen. Sie trugen dünne gleichartige Leinenhemden aus Kefti und um den Hals ihren Schmuck, den vergoldeten Horus mit Augen aus Karneol.
Jehoumilq rief: »Setzt euch zu uns. Trinkt kaltes Henket. Hört zu, was Fürst Nefer-Herenptah zu sagen hat.«
Holx-Amr setzte sich auf den Teichrand. Herenptah machte eine ausholende Geste und sagte: »Wenn's kühler geworden ist, zeig ich euch, was viele Fürsten vor mir, und auch ich, geschaffen haben. Für euch hab ich alles vorbereitet. Du weißt, Käpten, dass das Land ringsum gnadenlos heiß, öd und arm an Wasser ist?«
»Ich kann's mir vorstellen.« Jehoumilq sah stirnrunzelnd zu, wie Ptah-Netjerimaat, unrasiert und mit breitem Lächeln, mit einer hochgewachsenen Kushitin scherzte. Er antwortete stockend. »Nur wo Wasser ist, ist auch Leben. Diese Viehherden der Nehesi – fressen sie Sand und Steine?«
»Man meint es.« Der Gaufürst ordnete sorgfältig die Falten seines Schurzes und hielt einen Fuß ins Sonnenlicht. Die Helligkeit unter dem Segel ließ die Augen tränen. »Du wirst es abends sehen, Käpten. Wie weit sollt ihr durchs Land gehen?«
»Wie viel Platz ist auf den Schiffen, die du oberhalb der Stromschnelle hast zusammenbauen lassen?«, sagte Ptah. »Wir sollen zwei Löwen mit einem Speer töten: die Unruhestifter erkennen und ihre besten Männer als Soldaten nach Norden schicken. Das ist, in kurzen Worten, unsere Aufgabe.«
»Das ist eine Aufgabe, die meine Vorstellungen übersteigt.« Der Gaufürst schwieg lange, hob dann zögernd den Kopf und blickte in die Gesichter der Ankömmlinge. Karidon, der sich neben Mlaisso und Ti-Senbi gesetzt hatte, öffnete das ledereingeschlagene Geschenk und brachte es Nefer-Herenptah. Mlaisso starrte kopfschüttelnd darauf.
»Oberster Zahnarzt des Hapilandes!« Karidon grinste. »Ich wollte dir, irgendwann, das Geschenk durch Boten schicken. Nun bring ich es selbst; aus Keftis ferner Vergangenheit, ein Unterkiefer mit Zähnen. Einst lebten dort Tiere der Opet und Tho'eris, der Flusspferdgöttinnen. Sie waren viel kleiner als die Flusspferde im Jotru. Für deine Sammlung!«
»Er ist noch immer der gleiche Junge aus dem Per-Ankh!« Der Fürst lachte. »Woher hast du dieses ... einzigartige Geschenk?«
»Von einem alten Händler in Gnos, einem Hafen Keftis.«
»Das hab nicht einmal ich
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