Der Bronzehändler
zwischen ineinander verkrümmten Palmenstämmen stehen und sah auf der Mauerkrone wieder einen schmächtigen jungen Kahlköpfigen, der einen Vogelkäfig aus Binsengeflecht trug. Er öffnete die Klappe, griff nach einer grauweiß gefleckten Taube und warf sie in die Luft. Das Tier flog mit klatschendem Schwingenschlag nach Süden, flatterte höher und strich nach Osten ab. Karidon lächelte und versuchte sich an die Namen von Sokar-Nachtmins Anführer von Dreißig und dessen bestem Bogenschützen zu erinnern.
Am nächsten Nachmittag stand Karidon mit Userhet, dem Unterführer, zwischen den Mauern der Vorratshallen und im Schatten der halbfertigen Kornspeicher, die wie schräg abgeschnittene Bienenkörbe den Palmenwedeln entgegenwuchsen. Er deutete nach Westen, auf Amenemhets strahlendes Sehedhubauwerk und sagte leise: »Dreh dich nicht um! Genau in meinem Rücken; beim Taubenturm. Dein bester Bogenschütze, Userhet. Und genügend Aufregung auf beiden Seiten der Mauer, damit der magere Priesterschüler – oder was immer er ist – nicht hinaufklettert. Vor elf Tagen sah ich einen Vogel kommen, gestern ließ er einen aus dem Käfig frei – vielleicht kommt morgen wieder ein anderer Vogel, wer weiß? Dein Pfeilmeister sollte die Taube treffen, wenn ihr etwas erfahren wollt.«
»Ein Lob der Prinzessin und deiner Wachsamkeit bei Sonnenaufgang, Grünauge. Gut und richtig gesehen! Peser ist mein bester Mann; ein bräunlicher Nehesi.« Userhet schlug die feuchten Enden des Kopftuchs von den Schlüsselbeinen nach hinten und starrte in Karidons Gesicht. »Ich weiß, was du meinst.«
»Ich glaube, dass meine müden, verklebten Augen ein Stückchen Binsenmarkblatt gesehen haben.« Karidon hob die Schultern. »Ich bin nicht sicher, Userhet. Aber vielleicht ist es wichtig?«
Userhet kratzte sich mit beiden Händen unter den Schultern und stieß einen scharfen Laut aus.
»Kümmere dich um nichts mehr, Freund. Dank im Namen des jungen Goldhorus. Ich erledige das. Lass dein Haar wachsen, zieh dein keftisches Kleid an und lass dich nach Ta-Seti rudern. Vertrau dem Unterführer deines krummbeinigen Freundes.«
Sie schüttelten einander die Handgelenke; Karidon lächelte knapp und ging zur Terrasse des Gästehauses.
Jehoumilq stemmte die Fäuste in die Hüften, schüttelte den Kopf und spuckte aus. Er stierte Cha-Osen-Ra an, dessen goldgeränderter Stab auf die Horus deutete; das fröhliche Lächeln wich aus dem braunen Gesicht des Rôme. Jehoumilqs breite Hakennase verlor die Farbe; er stöhnte.
»Das Schiff!« Er stapfte näher heran. »Cabul! Grauenhaft!«
Die Horus sah aus, als sei sie aus dem Hapischlamm geborgen worden. Das riesige »neue« Segel war aus hundert verschiedenen Flicken zusammengenäht. Die Planken waren grau, rissig und schartig; aber das Schiff lag nicht tief im Wasser. Ti-Senbi packte Jehous Oberarm, streichelte seinen gekürzten, ausrasierten Bart und sagte: »Trefflich maskiert, Kapitän! Wie wir alle.«
Karidon zählte die Riemen an der Backbordseite, während Sklaven Säcke und Truhen der Ausrüstung über die Planke schleppten. Der junge Selkara, den Karidon ebenso nur mit Schwierigkeiten wiedererkannte wie die anderen Ruderer des trefflichen Dutzends, zerrte an den Enden seines dürftigen, hochgezwirbelten Schnurrbartes und brüllte:
»An Bord, mächtige Herren!« Er zeigte zum Mast. »Hesqe hat seinen Kräuteraufguss fertig! Nur zu. Ihr müsst nicht rudern!«
»Beiß dich ins Knie«, knurrte Jehoumilq, verabschiedete sich von Cha-Osen-Ra und kletterte an Bord. Karidon betrat die Planke als letzter. Der Lotse wirbelte den federnden Lotstab über seinem Kopf, rammte ihn ins Wasser und rief: »Beim Apisstier Men-nefers! Neun Ellen unter dem Kiel! Rudert, ihr starken Braven!«
Die Horus der Brandung schob sich ins glatte Wasser des Kanals. Der Tageswind aus Norden, vom Großen Grünen her, blähte das bizarre Segel; jeder der mehr als vierzig Männer an Bord sah aus, als käme er von weither, aber weder aus Men-nefer noch aus Itch-Taui. Selbst Jehoumilq im keftischen Kittel, ohne Goldkette, verwundert und misstrauisch, schien aus einem Land jenseits aller Dünen und Wogen zu stammen. Karidon kauerte sich hinter Holx-Amr ins Heck, sah die Ufer vorbeiziehen und dachte an Prinzessin Tamahat und nicht an die Gefahren am Oberlauf des Stromes.
Die Horus kämpfte sich langsam stromaufwärts, vorbei an den neuen Feldern und Weiden zwischen den Kanälen und dem Hapi nahe dem Städtchen Chnum-Chmunu,
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