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Der Bronzehändler

Der Bronzehändler

Titel: Der Bronzehändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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vorbei an spitzen Sehedhu-Bauwerken und Taltempeln, zwischen denen sich steinerne Prozessionswege erstreckten, an Schilffeldern, in denen die metallischen Rufe unsichtbarer Rohrdommeln tönten, an den Alabaster-Steinbrüchen im Gau des Gotteskalbes, zwischen lehmigen Untiefen in sumpfige Nebenarme. Hapikrokodile, Symbole des Gottes Sobek, dösten auf Sandbänken. Händler und Soldaten beobachteten sorgfältig beide Ufer; wie sollte man emsigen Arbeitern, Hirten und Bauern ansehen, ob ihr Gaufürst seine Abgaben an den Palast schickte oder die Gesetze befolgte? Die Mannschaft stellte Wachen auf, sie aßen und schliefen im Schiff, und wenn alles ruhig war, flatterten Eisvögel und Libellen über das Schiff wie fliegendes Geschmeide. Der Tageswind füllte das übergroße Segel und trieb die Horus an Tjeni vorbei, Geburtsort der ersten Herrscher der beiden Lande, durch Flussbiegungen zwischen schmalen Fruchtgebieten rechts und links des Wassers. Nur wenige große Schiffe begegneten ihnen; die Ufer und das Schilf waren voller Mücken, Vögel, Schmetterlinge und Fischerboote. Manchmal sahen sie kleine Gruppen Bewaffneter, die nach Süden zu wandern schienen. Der Hapi krümmte sich und wies nach Osten; hinter Geb-Teju tauchten die Berge des Tales Rohani auf. Jehoumilq und Karidon blickten zum Einschnitt in den Felsen und erinnerten sich an das Heer, das zerlegte Schiffe tagelang zum Strand des Meeres geschleppt und sie bei den Höhlen der Bucht des Beginnens für die Puntfahrt zusammengebaut hatte. Abermals änderte der Hapi seinen Lauf, wieder nach Süden. Ständig kreisten Geier in großer Höhe über den Ufern, und Nachtreiher hockten auf den Ästen abgestorbener Sykomoren.
    Wie ein riesiger Wasserkäfer mit achtundzwanzig Beinen, ein seltsames Insekt mit einem Segel, das dreimal so breit wie hoch war und aus siebenunddreißig – Saigoos hatte gezählt – großen Flicken bestand, tastete sich die Horus durchs grünbraune Niedrigwasser: vorbei an abgeweideten Ufern, Schilfstreifen, Nebenkanälen, Gutshöfen auf grünen Überflutungshügeln, Dünen, Sandflächen, Felswänden und weißen Mauern, die hinter Palmen, Sykomoren, Weiden und Tamarisken verschwanden; vorbei an Äckern und Feldern, auf denen Bauern arbeiteten und große Herden Ziegen, Schafe oder Rinder und Gazellen in Gattern weideten. Am Rand der Städte wuchsen Gebäude und große Kornspeicher auf flutsicheren Aufschüttungen; Zeichen dafür, dass Vorräte aufbewahrt und nicht hapiabwärts geschickt wurden. An einigen Stellen des westlichen Ufers sah Karidon wuchtige Fundamente von Tempeln und Grabanlagen. Ptah notierte, was er sah, in winziger Schrift auf der raschelnden Shafadurolle.
    Plötzlich, gegen Mittag, wurden aus dem Schilf nahe Iunu-Resyt einige Dutzend schlechtgezielter Pfeile aufs Schiff abgeschossen; mit schnellen Riemenschlägen wichen die Ruderer zum gegenüberliegenden Ufer aus.
    Auch an den steinernen Kais von No-Amûn, dem früheren Wese, hatten große Schiffe festgemacht. Niemand zeigte sich an Bord, niemand beachtete die Fremden. Trotzdem fühlten sie sich beobachtet. Hinter Säulenreihen und Mauern der Tempel stieg Rauch schräg in den Himmel, wie Sandwirbel über der Wüste.
    Neshet-Taui und Ipet-Sut schoben sich an Backbord heran, zwei Tage danach die Doppelstadt Nechen und Necheb. An Nubet vorbei, auf der geraden Strecke nach Süd, kamen sie aus dem Gau der Horuserhebung unmerklich, ohne sichtbare Grenzen, ins Bogenland: Sie fühlten sich einigermaßen sicher, weil sie unbehelligt durch einige Gaue abgefallener Fürsten gerudert waren, aber nun näherten sie sich den Stromschnellen, Suenet mit den Granitbrüchen und der Insel Ta-Seti, südlich davon warteten andere Gefahren. Man hatte sie erwartet: Zwischen Inseln aus schroffen Felsen, durch das Wasser einer ausgedehnten seeartigen Fläche ohne Wellen und Wind ruderten zwei große Boote heran.
    Eine seltsame Welt breitete sich aus, umgeben von gelber und roter Wüste, in der Glut einer gnadenlosen Sonne: mächtige Felsblöcke, von leuchtend grünen Pflanzen bewachsen, weiße Häuser, die sich schräg an sandigen und steindurchsetzten Hängen staffelten und über denen Schwärme kleiner Vögel flatterten, Rampen und Treppen, kleine Dattelpalmenwäldchen und wenige schmale Kanäle, die zu Feldern und Weiden führten. Zwischen Felsen und Mauern aus Quadern staute sich die Hitze. Der Lotse halbierte seinen Peilstab und band ihn an der Bordwand fest, hob die Hände an den Mund und rief die

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