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Der Bronzehändler

Der Bronzehändler

Titel: Der Bronzehändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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Steuermänner in den Booten an. Karidon verglich die Landschaft mit seinen Erinnerungen und fand einzelne Bilder wieder.

    Ti-Senbi und Mlaisso hockten mit untergeschlagenen Beinen auf den Decksplanken. Zwischen ihnen lagen in einer Reihe die Gegenstände der kushitischen Zeichenschrift. Jehoumilqs und Karidons Schatten fielen auf ein winziges Stück Sandstein, ein Fetzchen Antilopenfell und zusammengeschlungene Strohhalme. Mlaisso begann zögernd zu erklären.
    »Stein und Sand, die Zeichen von Wawat und Kush. Die Antilope steht für Wildheit und Gefährlichkeit. Das Stroh: Leere und Fruchtlosigkeit. Ihr versteht?«
    Karidon nickte. Schweißtropfen wurden auf dem Holz zu dunklen Flecken. Ti-Senbi ließ einen fast schwarzen, flachen Kiesel kreiseln. Er trug in der Mitte ein Muster, das man als Auge deuten konnte.
    »Die Finsternis des Todes.« Durch den Körper eines vertrockneten Skorpions, auf dessen Stachel eine Fliege aufgespießt war, führte gegeneinander verdrehtes Giraffenhaar. »Tod und Zerstörungskraft werden durch den Skorpion beschworen, die Fliege ist das Böse. Ein Faden ist abgeschnitten; abermals Tod.«
    Jehoumilq legte seine Pranke auf Mlaissos Schultern.
    »Beschwörung oder Prophezeiung, Mlaisso?«
    »Hier: Schilfgras.« Der Dunkelhäutige schwitzte, trotzdem war seine Haut rau wie grober Sand. »Das Schilfgras sagt: In Jahren und Jahrzehnten, wenn Zeit vergeht, wird eintreten, was hier versprochen ist.«
    »Wawat und Kush werden das Hapiland regieren?« Ptah-Netjerimaats Stimme war kalt und heiser. »Niemals! Eher fließt der Hapi nach Süden.«
    »Ein Grasbüschel«, sagte Ti-Senbi leise. Mlaisso lächelte, als kenne er die Zukunft. »Unterwerfung eines Landes. Hier: Fußspuren, in Leder geritzt. Die Gegenwart großer, göttlicher Mächtiger wird angezeigt. Daneben sehe ich eine schwarze Sonne; es sind Männer aus Kush. Der Faden ist durch trockenen Kot gezogen. Auswurf; Zeichen der Verachtung für alle Gegner. Nun macht der Faden, das Giraffenhaar, einige Knoten und endet in einer steinernen Pfeilspitze, eine Pfeilspitze zeigt im Leder auch nach Norden, also nach Itch-Taui oder Men-nefer. Das Ziel ist eindeutig, die Drohungen sind unmissverständlich, aber weder Mlaisso noch ich können sagen, wann das geschehen wird.«
    »Mehr wissen wir nicht.« Mlaisso schob die Teile der Gegenstandsschrift ins Tuch und knotete es schweigend zusammen.
    »Es wird sicherlich ein schattiger, unbeschwerter Spaziergang durch euer Land, Mlaisso«, murmelte Karidon. »Feine Botschaften, die man uns geschickt hat.«
    »Nefer-Herenptah wird uns alle Einzelheiten berichten«, sagte Ptah-Netjerimaat. »So leicht sind weder wir noch der Goldhorus zu töten.«
    Die Horus , von den Booten begleitet, legte an einem steinernen, hitzeglühenden Kai an. Zwischen der Rampe und den Treppen, die vom Wasser ins Städtchen hinaufführten, neben den Säulen des Chnumtempels, strahlten die Farben und das hauchdünne Gold auf dem Standbild der Satis, der »Herrin von Ta-Seti«, deren Krone man zwei Antilopenhörner hinzugefügt hatte und die das Zeichen ewigen Lebens hielt, den tiefgrünen Palmwedel. Karidon seufzte; selbst Priester Merire-Hatchetef würde ihm die letzten Geheimnisse der verwirrenden Götterwelt nicht erklären können. Ein junger kushitischer Diener berührte seinen Oberarm.
    »Bleibt nicht in der Mittagshitze, Herr. Sie verwirrt den Geist und schädigt den Körper.«
    Karidon glaubte jetzt, große Teile Ta-Setis wiederzuerkennen. Er war als einziger des liebenswerten Dutzends, lange vor der Puntfahrt, auf der langgestreckten Insel gewesen. Die Palmwedeldächer zwischen den Mauern zu Herenptahs palastartigem Wohnhaus, einem Dutzend ineinandergeschachtelter kantiger Bauten, warfen Schatten. Der Diener trug Karidons schweren Ledersack. Aus der Eingangshalle drangen Gelächter und herzlicher Wortwechsel. Karidon versuchte, in der Gruppe aufgeregter Rômet den Gaufürsten wiederzuerkennen: Nefer-Herenptah war rundlicher geworden, sonnenverbrannt, bewegte sich flinker und strahlte gefallsüchtige Lebensart aus. Er schob zwei Kushitinnen, die Henket anboten, zur Seite und breitete die Arme aus, ehe er auf die Rampe hinauslief, mit schnellen Schritten.
    »Karidon! Grünauge! Sprachenkundiger Bronzehändler!« Er war einen Kopf kleiner als Karidon. Seine Augen funkelten wie sein kostbarer Halsschmuck. Er roch nach Zedernöl und umarmte Karidon mit überzeugender Herzlichkeit. »Ich hab nicht einmal zu träumen gewagt, dass

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