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Der Bronzehändler

Der Bronzehändler

Titel: Der Bronzehändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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gewusst.« Jehoumilq klatschte auf seine Schenkel. »Sammelst du Zähne, Fürst?«
    »Nicht, weil ich sie selbst brauchte. Ich langweil mich hier, und statt Reichtümer zu sammeln ...« – er lächelte, als wolle er sich entschuldigen – »betrachte ich bisweilen die Unterschiede jener Quälgeister zwischen Lippe und Gaumen.«
    Er nickte Karidon zu und berichtete, was er vom Land zwischen der ersten und dritten Stromschnelle wusste. Selbst Ptah-Netji und Mlaisso hörten schweigend zu; Karidon und Jehoumilq stellten nur wenige Fragen.

    KARIDON SCHREIBT SELBST mit zwei Fingern aus Ta-Seti an Prinzessin Tama-Hathor-Merit in Itch-Taui; mit zwei Abschriften und drei Boten, in eintägigem Abstand.

    Seit einst bei Suenet und Ta-Seti die Südgrenze des Reiches lag, prallten hier zwei Lebensweisen aufeinander: arme, kämpferische Nomaden und fleißige, sesshafte Rômet, die ihre Ordnung und Weltsicht mitbrachten, Kanäle gruben und Äcker und Weiden anlegten. Aus unbekannten Ländern im Süden kamen, wie jeder weiß, Handelswaren und Abgaben. Nun fürchten sich die Händler aus dem Süden, denn sie werden von den elenden Nehesi in Kush und Wawat überfallen und ausgeraubt. Jeder Versuch der Herrscher, die Menschen unter die göttliche Ordnung des Hapilandes zu versammeln, war stets nur wenige Jahre lang erfolgreich gewesen. Auch in diesem Jahr gehorchten die Nomaden ihren Stammesfürsten und bekämpften Rômetbauern, fällten Palmen, trieben hungriges Vieh auf saftige Äcker und raubten, statt zu tauschen.
    Überall, wo man Kanäle bauen kann, breiten sich heute grüne Äcker, Palmen und Tamarisken an den Ufern aus. Ein Teil der Granitfelsen ist durch den roh errichteten Damm abgesperrt, damit im trockenen Kanalbett besser gearbeitet werden kann. Sepatfürst Nefer-Herenptah hat fünfhundert Männern befohlen, den Kanal zu bauen und die Böschungen gut zu befestigen; der Kanal wird breit genug für zwei Schiffe sein. Kapitän Jehoumilq wird den Bau beaufsichtigen. Der Nordwind in den Nächten ist kalt, am Tag ist die Hitze furchtbar, schon jetzt lässt der Sepatfürst jeden Baumschößling bewässern. In fünf Tagen brechen wir über die erste Stromschnelle hinweg nach Süden auf – ich schreibe so viele Briefe wie nötig und so oft, wie es uns möglich ist.

    Karidon, der sich wünscht, das Land mit den Augen des Falken sehen zu können, sendet dieses Schreiben an Prinzessin Tama-Hathor-Merit – unzählige Grüße, Gesundheit und Leben, Glück und Lobpreisungen der Gepardenäugigen im Palast.

    Karidon hob den Kopf; im rötlichen Sonnenlicht wuchsen die Schatten. Der Wind wurde kühler. Karidon versuchte, vom Dach der Lagerhalle die wichtigsten Landmarken und Berge, Entfernungen und Wege zu erkennen. Er gab es schulterzuckend auf. Bis auf zwei große Hügel glich ein Stück Wüste dem anderen: Es war, als befände er sich auf dem offenen Meer.

8. An den Stromschnellen

    Ptah-Netjerimaat, Jehoumilq und Karidon unterhielten sich lange mit Nefer-Herenptah, dem »Wächter des Tors zum Süden«, befragten Späher und Soldaten ebenso eindringlich wie die wenigen alten Nehesi-Hirten, die bei den Rômet lebten. Mlaisso und seine Gefährtin, geschützt von Soldaten und mehrmals übergesetzt, wanderten beide Hapiufer südwärts und suchten an den Grenzen zwischen Wüste und bearbeitetem Land nach Spuren. Felsen und Dünen warfen karge Schatten; die Sonne glühte unerträglich. In diesem Landstrich bedeutete nur Jotru, das kühle Wasser, Leben für Menschen, Getier und Pflanzen. Akazien, Dattelpalmen und jene Palmen, deren Stämme sich gleichmäßig gabelten, waren von den Vorfahren des jungen Goldhorus gepflanzt worden. Ohne ständige Pflege durch viele Bauern und Kanalarbeiter würde binnen weniger Jahre die Wüste wieder am Hapiufer und am Fuß der Festungsbauwerke enden; schon zwei, drei Sandstürme oder eine Trockenzeit konnten das Leben auslöschen, das man seit hundert Jahren schrittweise der Wüste abgerungen hatte.
    Mlaisso zog Ti-Senbi in den Schatten des Schutzdachs zurück und deutete nach Süden.
    »Ich war viel älter als du, als ich von hier fortging. Weißt du, dass zwischen Suenet drüben und Ta-Seti auf dem westlichen Hapiufer das einzige Tor, der einzige Grenzdurchlass nach Norden, zum Strom besteht? Dass sich dort, wo es nur Staubstürme, mörderische Sonne und endlose sandige Einsamkeit gibt, ein riesiges unbekanntes Land erstreckt?«
    Ti-Senbi nickte und setzte sich in den Stuhl aus Rohrgeflecht und

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