Der Buchdrucker der Medici - Eine Hommage an Michael Wagner
österreichischen Markt nachdruckt. Auch Gellert, Hagedorn, Wieland stehen beim Publikum in hoher Gunst, vor allem Klopstock. Und in den Adelskreisen, wo man früher zu Büchern gegriffen hat, wenn keine anderen Vergnügungen geboten wurden, zirkulieren jetzt der
Spectateur français
, die
Lettres Persanes
und Rousseaus
Nouvelle Héloïse
im Original. Die Hofsprache ist Französisch, Trattner, längst nobilitiert, weiß seinesgleichen aufzuwarten. In seinem Cabinet littéraire de Vienne bietet er gut 2.000 Bücher in französischer Sprache an. Kurzum, eine Leserevolution ist im Gang, sakrale Werke werden zu Ladenhütern. Blickt Wagner über die Landesgrenzen hinaus, sieht er, dass die Händler eilends „unnütze Bücher“, viele „Alte Prediger“ darunter, zum Schleuderpreis verkaufen. Und was druckt man in der Wagner’schen Offizin? Eine Andachtsübung, ein Marienbuch –
„Mit dem Käsehandel verglich er euer Geschäft? Wahrlich der Kaiser, man sieht’s, war auf dem“ – Innsbrucker Markt? Wagner ist nicht nach Lachen zumute. Kein Schmunzeln entlockt ihm das verunstaltete Xenion der Weimarer Dichterfürsten.
Der Jesuitenorden wird aufgehoben. Ein weiterer Auftrag entfällt, der Druck der Periochen. Wehmütig entsinnt sich Wagner eines besonders schönen Exemplars, das er zur Einweihung der Jesuitenkirche hergestellt hat. Goldschnitt verwendete er damals, um einen besonders schönen Seitenaufbau zu erreichen. Die Aufführungen am Jesuitentheater dagegen vermisst er wenig. Darbietungen erinnert er, die unter frenetischem Applaus endeten, weil die fünf Nachtstunden andauernde Grauslichkeit zum Abschluss gekommen war. Aber immerhin, die Produktion der Programmhefte war von Anfang an ein Standbein –
Mit Sicherheit würde man auch diese Aufträge an Trattner verloren haben, ist Wagner überzeugt. Zwar gelingt es seinen Nachkommen, das Amt des Hofbuchdruckers zurückzugewinnen, allein was hilft’s, vor der Kapitalkraft des Rivalen feit kein Titel.
Johann Nepomuks Witwe führt den Betrieb bis zur Volljährigkeit ihres Sohns Michael Alois. 1793 übernimmt er die Offizin. Und staunt nicht schlecht, als Trattner plötzlich die Preise massiv erhöht. Wenige Wochen später weiß Michael Alois den Grund. Trattner, dem die einst erwirkte Aufteilung der Druckaufträge ein Dorn im Auge ist, wendet sich mit einem Vorschlag an die Regierung. Er will alle Arbeiten mit einem dreißigprozentigen Rabatt für drei Jahre übernehmen. Die Konkurrenz soll dann sämtliche Aufträge der nächsten drei Jahre bekommen.
Michael Alois begibt sich verzweifelt zu den Behörden. Die Sache sei doch offensichtlich, Trattner beabsichtige ihn zu ruinieren, könne die auftragslosen Jahre leicht mit Ordern aus anderen Filialen versorgen. Die eigene Offizin aber würde drei Jahre des Stillstands nie und nimmer überleben.
Tage bangen Wartens verstreichen. Endlich lehnt die Regierung das Anliegen des Wieners ab. Einen Versuch war es wert, mag sich Trattner denken. Er hat die Lust am Standort Innsbruck ohnehin seit Langem verloren. Die Stadt hat keine Perspektive. Profitierte sie früher von der Handelsroute nach Italien, so leidet sie gegenwärtig unter dem Ausbleiben des Transitverkehrs. Der Wiener Hof blickt nach Triest, die Wege dorthin führen über die steirischen und Salzburger Pässe. 1796 gibt Trattner seine Innsbrucker Filiale auf. Zwei Jahre später stirbt der berüchtigtste Nachdrucker Europas, wie ihn seine Zeitgenossen nennen. Sein Unternehmen geht an einen Enkel über; später erwirbt es Georg Ueberreuter.
Jetzt, da die Trattner’sche Gefahr gebannt ist, muss es doch wieder aufwärts gehen! Und schon sieht Wagner Michael Alois voll Tatendrang eine Filiale in Bozen eröffnen. Auch in heiratspolitischen Belangen erweist er sich als würdiger Erbe. Michael Alois ehelicht Maria Kunigund, eine Tochter aus der wohlhabenden Familie Ongania. Sie besitzt das Gasthaus Goldener Löwe in der Altstadt, ein Gebäude, in dem Wagner jeden Winkel kennt. Viele Jahre ist ihm das Haus ein Domizil gewesen, im Gewölbe hat er sein Buchlager eingerichtet. Wenn das kein gutes Omen ist.
Ehrgeiz zeichnet Michael Alois aus und Weitblick: Ins Gesinde nimmt er einen Buchhalter auf, einen Schwaben. Da kann nichts mehr schiefgehen.
Rasch stellt sich Nachwuchs ein. Zwei Töchtern folgt ein Sohn. Großes erwartet sich Wagner, sieht das Unternehmen unter seinem künftigen Nachfolger zu einem Höhenflug ansetzen. In Gedanken schickt er ihn aufs neu
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