Der Buchdrucker der Medici - Eine Hommage an Michael Wagner
muß, wenn man nicht mit fort gerißen werden will“, alarmiert Reich die sächsischen Behörden.
Wagner teilt Reichs Befürchtungen durchaus. Aber er kann ein wenig Schadenfreude kaum verhehlen. Schließlich ist es die von Reich hervorgerufene Situation im Bereich des Bucheinkaufs, die Trattner zum Erfolg verhilft: Er druckt die gut verkäufliche Buchhandelsware Norddeutschlands einfach nach. Und er tut dies nicht nur im großen Stil mit enorm hohen Auflagen, sondern auch ganz im Interesse seiner Majestät. Maria Theresia, die Trattner private Audienzen gewährt, unterstützt ihren Günstling, wo sie kann. Nicht von ungefähr ziert Trattners Druckermarke das Motto
labore et favore
, durch Arbeit und Gunst. Ausgestattet mit Privilegien, baut er an einem Buchimperium, das seinesgleichen nicht hat. Zum Steigbügelhalter seines Erfolgs wird die erste Buchhändlerordnung aus dem Jahr 1772. Mit Staunen verfolgt Wagner die Neuerungen. Galten bisher Druckerverleger wie er als Norm, will man jetzt von Verlagsbuchhändlern oder Verlegersortimentern sprechen. Auch sollen Buchhändler eine Lehrzeit und Prüfung absolvieren, ferner über ausreichendes Kapital verfügen. Außerdem wird das Konzessionswesen geregelt.
Doch Protektionswirtschaft allein ist es nicht. Was Trattner macht, hat Hand und Fuß. Bei so viel Geschäftssinn verschlägt es Wagner die Sprache. Mehrmals im Jahr verschickt Trattner an Buchhandlungen in ganz Europa Verlagskataloge. Neben Werken auf Deutsch und in den klassischen Sprachen führt er französische, italienische, hebräische, englische, russische, ungarische, tschechische und kroatische Bücher im Programm. Hinzu kommen Buchreihen, einheitlich in Preis und Gestaltung. Während die Buchbranche unter dem grassierenden Papiermangel leidet, errichtet Trattner kurzerhand eine eigene Papierfabrik. Schon zuvor hat er ein Grundstück in der Wiener Josefstadt erworben. Dort vereinigt er Druckerei, Schriftschneiderei, Gießerei, Kupferstecherei sowie eine Buchbinderei und eine Buchhandlung unter einem gemeinsamen Dach zum „Typographischen Palast“. Er selbst residiert in einem Stadtpalais von beeindruckender Größe, im Trattnerhof.
Behände knüpft Trattner ein Netz von Zweigniederlassungen im ganzen Habsburgerreich, ob in Agram oder Olmütz, Budweis oder Triest, Königgrätz, Temeswar, Prag oder Warschau. Allein achtzehn Trattner’sche Buchhandlungen zwischen Frankfurt und Hermannstadt, Lemberg und Panczowa zählt Wagner. Gegen diesen Mann scheint kein Kraut gewachsen. 1766 hält er auf Innsbruck zu.
Kurz schlägt Wagner die Hände vors Gesicht. Bisher hatten sich die arrangierten Hochzeiten immer als kaufmännischer Segen erwiesen. Nun werden sie zum Verlustgeschäft. Als sein Enkel Michael Anton stirbt, übernimmt seine Frau und Witwe die Offizin. Die Tochter aus besten Innsbrucker Verhältnissen macht ihre Sache ausnehmend gut. Und es mag die Tüchtigkeit sein, die ihr den Blick auf ein winziges, jedoch entscheidendes Detail verstellt. Vielleicht sieht sie aber auch vor lauter Nachlass den Erben nicht. Johann Nepomuk heißt er und ist der Sohn aus der ersten Ehe ihres Mannes mit einer Frau aus nicht minder gutem Haus.
Beim Tod seines Vaters ist Johann Nepomuk nicht in Innsbruck, was die Gedächtnisschwäche seiner Stiefmutter vertieft. Sie vergisst ihn schlicht und derart hartnäckig, dass sie bald in der Stadt verbreitet, es gebe gar keinen Johann Nepomuk. Letzterer, mittlerweile unterwegs nach Wien, um sich als Hofbuchdrucker bestätigen zu lassen, hat daher alle Mühe, in der Hauptstadt seine Identität zu beweisen. Viele Wochen vergehen, reichlich Zeit für weitere Bewerber. Dann endlich der Tag der Entscheidung, der Enttäuschung vor allem. Der geheime Kabinettssekretär seiner Majestät teilt Wagners fieberhaft wartendem Urenkel mit, dass fortan ein anderer das Amt des Hofbuchdruckers bekleide, nämlich –
Selbst unter anderen Umständen hätte man Trattner kaum Paroli bieten können. Sofort setzt er in Innsbruck um, was ihn bekannt gemacht hat: die gezielte Herstellung von Massenware, Regierungsschriften, Schulbücher, Zeitschriften. Und natürlich ist sein ganzes Nachdruckprogramm erhältlich. Sehr zur Freude des städtischen Publikums. In Trattners Verkaufsgewölbe ist alles zu haben: Theaterstücke bietet er an, „Geschichten und Romanen“, Lyrisches. Wagner sieht die Gedichte Gottfried August Bürgers um 30 Kreuzer veranschlagt, die
Metamorphosen
des Ovid sind um 54 Kreuzer zu
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