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Der Buchdrucker der Medici - Eine Hommage an Michael Wagner

Der Buchdrucker der Medici - Eine Hommage an Michael Wagner

Titel: Der Buchdrucker der Medici - Eine Hommage an Michael Wagner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph W Bauer
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Gabe unabgekochter Milch gewarnt. Aber Erklärungen helfen jetzt nicht weiter, der Junge muss gesund werden, Herr, erbarme dich!
    Ob weitere Familienmitglieder unter krampfartigen Zuständen leiden würden? Michael Alois bejaht, beißt sich auf die Lippen, ganz weiß sind sie. Das habe er befürchtet, erwidert der Arzt, seine Miene verfinstert sich. Er schaut Maria Kunigund prüfend an, lächelt ihr aufmunternd zu, doch Wagner hat genau gesehen, der Doktor schüttelte unmerklich den Kopf. Man sorge für gute Ernährung des Kleinen und erleichternden Stuhlgang, für Reinlichkeit durch Waschungen und Bäder. Ferner rät er, dem Jungen bei Anfällen ein Stückchen Holz, Kork oder Leinwand zwischen die Kiefer zu schieben, damit er sich die Zunge nicht verletze und freier atmen könne. Und lüften, immer wieder lüften! Kühle Umschläge und Begießungen des Kopfs seien ebenfalls lindernd. Und man vergesse nicht, ihm Klistiere aus kaltem Wasser und Essig zu verabreichen.
    Beim Verlassen der Wohnung drückt er Maria Kunigund beide Hände. Sie solle sich schonen, auch ihr würde frische Luft nicht schaden, viel zu blass sei sie.
    Beinahe täglich erblickt Wagner den Arzt in der Kirchgasse. Kurz tritt er an die Wiege, streicht Peter Michael über die Wange. Die Anfälle häufen sich, sagt Maria Kunigund, das Fieber wolle nicht mehr sinken. Kalte Wickel? Freilich, antwortet der Mediziner, aber –
    Immer plötzlicher wird Peter Michael zum zuckenden Bündel, aus dem der schlagende Jammer erst weicht, wenn der Junge das Bewusstsein verliert. Schon wieder bäumt er sich in der Bettstatt auf, trommelt mit den Fäusten gegen die Brust. Kalter Schweiß steht ihm auf der Stirn, sein Puls rast, klein, kaum zu tasten. Die Beine verrenkt, wie Krallen die Finger, Peter Michaels Kopf kippt zur Seite, das Kissen färbt sich rot und gelb. Maria Kunigund kreischt auf, reißt sich an den Haaren, Michael Alois hastet aus der Offizin herauf.
    Wagner sieht, wie der Arzt Peter Michael die Lider schließt, ein Jahr und neun Monate nachdem sein jüngster Nachkomme das erste Mal das Licht erblickt hatte.
    Noch ist das Trauerjahr nicht vorüber, da naht eine Krankheit, die Wagners Wanderjahre überschattet hatte, der Krieg. Der selbsternannte Franzosenkaiser rückt an, in Südtirol marschieren feindliche Kolonnen ein. Im Mai 1796 erreichen die ersten Meldungen vom Vordringen der Franzosen die Stadt. Sofort werden alle festlichen Veranstaltungen abgesagt. Eine freiwillige Stadtgarde wird gebildet. Unter ihnen entdeckt Wagner einen Winkler, Franz de Paula, Sohn seiner Urenkelin Maria Josefa.
    Michael Alois hingegen eilt mit seiner Frau und der Tochter in die Kirche. Seit dem Tod ihres Bruders wirkt Maria Anna verstört. Sechs Jahre ist sie alt, drängt sich an ihre Mutter. Sie begreift die Vorgänge um sich so wenig, wie Wagner sie hatte verstehen können, als der Dreißigjährige Krieg ausgebrochen war. Hatte ihn denn der konfessionelle Konflikt interessiert? Und von welchem Interesse ist es für Maria Anna, dass es in Innsbruck einen Jakobinerklub gibt? Dass die europäischen Mächte seit Jahren gegen Frankreich und die Revolution rüsten, ist für ihren Vater von Belang.
    Die Auswirkungen auf den Buchmarkt lassen nicht lange auf sich warten. Das Publikum darf so wenig als möglich über die Vorgänge in Frankreich erfahren. Ein Wort faucht Michael Alois und seinen Kollegen aus der Hofkanzlei entgegen, damnatur, es wird verworfen. Davon betroffen sind Schriften, die im Verdacht stehen, gegen Religion, Sitten, die Monarchie oder den Landesfürsten gerichtet zu sein. Monatlich werden Verbotslisten an die Landesstellen und Buchhändler versendet. Aus dem Ausland eingeführte Bücher unterliegen ohnedies der Zensur. Und alle zum Druck vorgesehenen Manuskripte sind in zweifacher Ausfertigung vorzulegen. Ein zensuriertes Exemplar bleibt zum Vergleich mit dem Druck bei den Behörden.
    Doch das spielt jetzt keine Rolle. Wagners Sorge gilt allein der Familie. Schon fliehen der Innsbrucker Hof, die Regierung und die höhere Beamtenschaft aus der Stadt. Truppen werden rekrutiert, sie ziehen Richtung Brenner. Laufend werden Schützenaufgebote angeordnet. Panik auf den Straßen. Einen Mann aus Feldkirch, der sich zufällig in der Stadt befindet, hält man für einen Spion und hängt ihn kurzerhand auf.
    Kalt ist es, Michael Alois zieht den Mantelkragen höher, unter seinen Schritten knirscht der Schnee. Kurzatmig hetzt er durch die Kirchgasse, will rasch nach

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