Der Buchdrucker der Medici - Eine Hommage an Michael Wagner
haben. Unverhältnismäßig teuer hingegen Winckelmanns Geschichte des Altertums, neun Gulden muss man dafür hinlegen.
Trattner lässt ein Verzeichnis lieferbarer Titel an die Innsbrucker verteilen, allein elf Seiten mit „Livres Francois & Italien“ umfasst es. Zudem bewirbt er sein Geschäft, dort seien die Bücher ganzjährig zum verbilligten Preis erhältlich.
Erfreuliches gibt es wenig in diesen Tagen. Immerhin, Wagner weiß mittlerweile, warum der Winkler mit nach Brixen reiste. Er gehört zur Familie, ehelichte eine Schwester der Klarissin, Maria Josefa. Doppelt hält besser. Bestimmt wäre sein alter Freund Georg Winkler mit ihm einer Meinung gewesen. Und wer ist der Mann im Priestertalar? Wagner erkennt einen anderen seiner Urenkel nicht gleich, Josef Michael ist’s. Gut so, Hilfe von oben kann jetzt nicht schaden.
Göttlichen Beistand braucht Johann Nepomuk wahrlich. Er hat sich gegen die Stiefmutter durchgesetzt und das Unternehmen an sich gebracht, gegen Trattner jedoch ist er chancenlos. Indem der Rivale die Preise auf existenzgefährdende Art unterbietet, spielt er die Wagner’sche Offizin an die Wand.
„Nun sind Bücher nichts anderes als Waaren“, mit diesem Ausspruch tritt Trattner an. „Bücher sind mit anderen Waaren nicht zu vergleichen“, antwortet Phillip Erasmus Reich, so simpel wie wahr, Wagner blickt zum Himmel: Trattner setzt zum Sturm auf die letzte Bastion an und steigt in den Handel mit volkstümlicher Erbauungsliteratur ein. Jetzt hilft nur noch ein Stoßgebet.
Lob sei dem Herrn, er rief Maria Theresia zu sich. Gesagt hat das in der Wagner’schen Offizin niemand, gedacht allemal. Seit dem Regierungsantritt Josephs II. muss sich Trattner ohne Sonderrechte der Konkurrenz stellen. Der Kaiser will es so: „Um aber Bücher zu verkaufen, braucht es keine mehrere Kenntniß, als um Käs zu verkaufen; nämlich ein jeder muß sich die Gattung von Büchern oder Käs zeitlich anschaffen, die am ehesten gesucht werden und das Verlangen des Publikums durch Preise und Reize nützen.“ Damit ist das Privilegiensystem aufgehoben.
Zu spät, flucht Wagner, sein Urenkel hat von dieser Entwicklung nichts mehr. Der Zwist ums Erbe, die Jahre der geschäftlichen Auseinandersetzung und die stete Angst vor dem Ruin haben ihn rasch an Lebenskraft verlieren lassen. Johann Nepomuk Wagner stirbt wenige Monate nach der Kaiserin.
Beim Totenamt für seinen Urenkel erblickt Wagner den Trattner unter den Trauergästen. Wagt er es zu kondolieren? Gerne würde der Buchdrucker der Medici dem Günstling der Kaiserin die Faust ins Gesicht –
Die Offizin geht an Johann Nepomuks Frau Agnes. Bereits ein Jahr nach dem Tod ihres Manns steht sie vor einer unlösbaren Aufgabe: Die Innsbrucker Universität wird zum Lyzeum degradiert. Die entfallenden Druckaufträge sind anderweitig nicht zu ersetzen. Allerdings gelingt es Agnes, bei Hof eine Aufteilung der Arbeiten zwischen Trattners und ihrer Offizin zu erwirken. Damit ist zumindest das Überleben des Unternehmens gesichert, mehr aber nicht. Denn immer noch beherrscht Trattner den Markt. Und Wagner weiß, der Erfolg des Wieners stützt sich nicht zuletzt auf eine Leserschicht, der die Wagner’sche Firma wenig zu bieten hat.
Als Wagner seine Innsbrucker Presse in Betrieb nahm, fanden deren Erzeugnisse ausschließlich bei Hof, den Behörden und den Gelehrten ihre Abnehmer. Für wen auch sonst drucken? Noch zu Lebzeiten seiner Enkel waren zwei Drittel der Bevölkerung nicht im Stande zu lesen. Da reichten bebilderte Kalender, und bei den Aderlasstafeln wiesen Aderlassmännchen dem Betrachter den Weg. Mit der Einführung der Normal- und Trivialschulen wendete sich das Blatt nur um Nuancen. Was man die Kinder gelehrt hatte, war meist am Ende der Ferien wieder vergessen. Und erwarben sie im Erwachsenenalter ein Buch, so blieb es das einzige ein Leben lang. Der Einband des Werks so abgegriffen wie sein Inhalt, den sie auswendig aufsagen konnten, Heiligenviten, Legenden, Gebete.
Doch der Wind hat sich gedreht. Höchste Zeit, die Segel zu setzen, ruft Wagner seinen Nachkommen zu. Seit der Regentschaft Josephs II. ist Analphabeten der Zutritt zu den Zünften verwehrt, allein dadurch steigt der Leseanreiz. Zudem formieren sich die bürgerlichen Beamten zur gewinnträchtigen Käuferschicht und orientieren sich zunehmend an der deutschen Bildung und Kultur. Gottsched ist in aller Munde, wen wundert’s, er gehört zu den ersten Autoren, die Trattner für den
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