Der Buchdrucker der Medici - Eine Hommage an Michael Wagner
Hause. Seine Frau ist hochschwanger, jeden Moment kann sie niederkommen. Michael Alois hofft auf einen Sohn, alle in der Familie tun das, Wagner auch, die Offizin braucht einen Erben.
Aber schon während Maria Kunigund in den Wehen liegt, sind Gedanken an einen Nachfolger bedeutungslos. Stundenlang, will Wagner scheinen, ringt Michael Alois’ Frau um das Kind. Als sie endlich eine Tochter zur Welt bringt, kennt die Freude keine Grenzen. Josefa Kunigund soll die Kleine heißen. Der Kindsvater stürmt vor Begeisterung zu Winkler. Er möchte sich nicht verkühlen, flachst der Freund, als er Michael Alois nur im Hemd bekleidet auftauchen sieht. Dann wird er ernst, wie es Maria Kunigund gehe? Es sei eine schwere Geburt gewesen, sie habe viel Blut verloren und fühle sich demgemäß schwach, antwortet Michael Alois. Umso mehr müsse er für Wärme in der Wohnung sorgen, rät Winkler. Der Teufel schlafe nicht, gerade bei diesen Temperaturen.
Als hätte es der Apotheker geahnt. Wenige Tage nach der Geburt erkrankt Michael Alois’ Frau schwer. Der Arzt diagnostiziert eine Lungenentzündung. Warum seine Patientin, erst 29 Jahre alt, jedoch derart rasch verfällt, ist ihm unerklärlich. Er lässt Maria Kunigund zur Ader, wodurch sich ihr Zustand dramatisch verschlechtert. Indes eine Amme der Neugeborenen die Brust gibt, hält Michael Alois die Hand seiner Frau. Maria Anna steht ebenfalls am Bett, Wagner sieht die Neunjährige zittern. Ihre Augen sind geweitet, liegen tief in den Höhlen. Als ein Priester das Zimmer betritt, wirft sie sich ihrem Vater in die Arme.
Vier Jahre nach dem Tod von Peter Michael folgt Maria Kunigund ihrem Sohn ins Grab. Zwei Monate später erliegt Josefa Kunigund einem Steckkatarrh. Fünfzehn Wochen dauerte ihr Leben. Wenn das Gottes Wille war, so kann Wagner ihn nicht verstehen.
Die Franzosen sind da! Infolge des Waffenstillstands zwischen Österreich und Frankreich sollen sie für vier Monate stationiert bleiben. Sie erweisen sich den Tirolern gegenüber als freundlich, und in ihren schicken Uniformen wissen sie den Innsbruckerinnen zu gefallen.
Wagner indes hat nur Augen für Michael Alois. Der kann den Schmerz nicht überwinden. Wie zurückfinden in den Alltag? Vor zwei Jahren ist ihm seine Maria Kunigund gegangen. Seit ihrem Tod wächst ihm das Geschäft über den Kopf. Einer aus dem Personal spielt sich auf. Ist es der Schwabe? Einerlei. Wagner behagt die Sache nicht. Mag der Mann in noch so gutem Einvernehmen mit Michael Alois stehen, das Unternehmen soll er sich nicht unter den Nagel reißen. Das scheint nun endlich auch Michael Alois so zu sehen. Er heiratet ein zweites Mal. Maria Anna braucht eine Mutter. Und einen Nachfolger die Offizin.
Was hätte aus Peter Michael nicht alles werden können. Sechs Jahre wäre er jetzt alt. Bald schon würde man ihn auf die Jagd nach Bleiläusen schicken. Wagner hadert mit dem Schicksal. Aber es werden bessere Tage kommen, bestimmt!
In immer kürzer werdenden Abständen verspürt Michael Alois einen Druck auf der Brust. Das Luftholen verursacht ihm stechende Schmerzen, kräftig hebt und senkt sich seine Bauchdecke bei jedem Atemzug. Seit Jahren plagen ihn Katarrhe, jetzt aber fröstelt ihn manchmal tagelang, dann wieder setzen ihm blitzartige Hitzeschübe zu. Mittlerweile sieht ihn Wagner öfter beim Arzt als an der Presse. Stets wird sein Nachkomme zur Ader gelassen. Die Prozedur sei nötig, um die Blutüberfüllung der Lunge zu beseitigen, erklärt der Doktor. Und verabreicht ihm kleine Mengen von Fingerhut und Essig-Ammonium mit Aqua Laurocerasi vermengt. Er solle viel gekochtes Obst essen und sich bei Winkler Bärentrauben besorgen. Der Apotheker wisse schon Bescheid und habe gewiss noch das eine oder andere schleimlösende Kraut auf Lager.
Michael Alois’ zweite Frau kümmert sich rührend um ihren Mann. Mit ihrer Stieftochter kann sie weniger gut. Maria Anna hält sich lieber an die Schwester ihrer Mutter, die sich auffallend oft in der Kirchgasse aufhält, was Wagner sehr wundert.
Winkler muss nicht aufsehen, am rasselnden Atem erkennt er seinen Freund. Bläulich gefärbt sind seine Lippen, die Wangen von Venenblut unterlaufen. Michael Alois spricht leise, Wagner kann ihn kaum hören, doch ihm kommt vor – hat er den Namen des Schwaben erwähnt?
Auf dem Nachhauseweg muss Michael Alois mehrmals innehalten. Als er die Offizin erreicht, wird ihm schwindlig. Er schleppt sich zur Treppe, eine Stufe, eine zweite. Seine Augen quellen hervor,
Weitere Kostenlose Bücher