Der Buchdrucker der Medici - Eine Hommage an Michael Wagner
fest. So mancher Innsbrucker mag den mehrere Monate in der Stadt residierenden Wiener Hof daher für Traumgebilde halten.
Für Gespinste hat Wagner keine Zeit. Entscheidendes bahnt sich an, die harten Zensurbestimmungen fallen. Davon betroffen vor allem belletristische Werke. Allein was nützt es, wenn die Käufer ausbleiben. Wie reagiert Schumacher? Er tut das einzig Richtige und tritt die Flucht nach vorne an. Einmal mehr vermeint Wagner sich in Johann Nepomuk zu spiegeln, er hat sich nicht geirrt, der junge Mann ist ganz aus seinem Holz.
Schumacher gründet eine Filiale im Südtiroler Brixen, sein Kompagnon ist Alois Weger. Der steht einer Offizin vor, die Wagner – Wie oft hat er bei seinen Marktfahrten in einer Kammer über dieser Werkstatt genächtigt! Damals gehörte der Betrieb seinem Freund Hieronymus Paur. Der hatte die Nachfolge von Donatus Faetius angetreten, dem frühesten Drucker im Tiroler Raum. Hat Weger die alte Druckerpresse noch? Wagner erinnert die Initialen M.G. auf dem hölzernen Gestell der Presse. Paur hatte dahinter keinen Geringeren als Giacomo Marcaria aus Riva vermutet. Faetius sei ein Mitarbeiter Marcarias gewesen und habe die Presse wohl vom Gardasee nach Brixen gebracht, hat Wagner die Stimme seines einstigen Weggefährten im Ohr.
Mit Südtirol allein gibt sich Schumacher nicht zufrieden. Schon sieht Wagner ihn eine Zweigniederlassung in Feldkirch eröffnen. Auch zur Buchmesse in Leipzig reist er und bringt von dort einen 370 Seiten starken Messkatalog mit. Stolz präsentiert er ihn der Familie, ist doch die Wagner’sche Universitätsbuchhandlung unter den zwanzig größten im gesamten deutschsprachigen Raum aufgelistet und steht neben anderen österreichischen Verlagsbuchhändlern wie den Wienern Bermann, Braumüller, Dirnböck und Gerold, dem Linzer Fink sowie den Pragern André und Calve im Katalog.
Das Unternehmen ist am Höhepunkt. Schumacher lässt seine verdutzten Mitarbeiter wissen, man werde in Zukunft für Brockhaus drucken. Rastlos ist sein Streben, beängstigend auch, er arbeitet weit über seine Kraft. Fast vermeint Wagner es vorauszusehen und findet seine böse Vorahnung bald bestätigt.
Im Alter von 46 Jahren stirbt Johann Nepomuk Schumacher. Sein Tod trifft die Familie völlig unvorbereitet. Der persönliche Verlust wiegt schwer. Hinzu kommt die Sorge um die Firma. Die Söhne sind noch minderjährig, wie soll es weitergehen?
Wagner steht unter Schock. Schumacher ist nicht zu ersetzen. Ohne zu zögern hätte er ihm den Freibrief der Landesfürstin in die Hände gedrückt und ihn einen Buchdrucker der Medici genannt.
Eberhard Hausschild wird als Geschäftsführer bestellt. Ein Rheinpreuße aus Neuwied, murmelt Wagner, ob das gut geht? Neuwied gilt seit mehr als eineinhalb Jahrhunderten als Zentrum für Konfessionsflüchtlinge aus dem ganzen Deutschen Reich. Von Glaubensfreiheit in Tirol kann nicht die Rede sein. Erst vor wenigen Jahren hat man die Protestanten aus dem Zillertal vertrieben.
Hausschild erledigt seine Aufgaben mehr als gut. Lob spendet ihm Wagner vor allem, als er eine neue Zeitung gründet, die
Innsbrucker Nachrichten
. Unter den Argusaugen der Zensoren wird sie auf einer Schnellpresse hergestellt, von einem einzigen Setzer und einem Lehrling. Fast 7.000 Gulden Kaution muss man bei den Behörden hinterlegen.
In Druck gehen auch die Werke des Osttiroler Historikers Beda Weber. Und endlich ein Dichter von Rang: Adolf Pichler wird verlegt, drei Bücher erscheinen,
Legenden, Gedichte
und
Hymnen
.
In der Buchhandlung indes stapelt sich die Ware. Das wundert Wagner nicht. Nach dem Fall der Zensur hat man kräftig eingekauft. Nun muss man die Bücher in ganzseitigen Zeitungsannoncen zum reduzierten Preis anbieten. Auch der erdrückende Einfluss der katholischen Kirche macht dem Unternehmen zu schaffen. Schon zu Johann Nepomuks Lebzeiten hatte man in Innsbruck die von Wien geforderte Religionsgleichberechtigung verhindert. Jetzt kommen die Beschlüsse des Konkordats von 1855 hinzu, mit denen die Macht der Kirche ins Unermessliche steigt.
Gewiss, vieles hat sich geändert in der Stadt. 18.000 Einwohner zählt sie, und manchmal glaubt Wagner, Innsbruck nicht wiederzuerkennen. Und doch sieht er Parallelen zu einst: Erneut haben die Jesuiten das Sagen und bestimmen den vom Tiroler Landtag eingeschlagenen Kurs. Der ist erzkatholisch und macht vor der Druckerei nicht Halt. Dort ist ein älterer, aus Sachsen stammender Oberfaktor angestellt, der dem
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