Der Buchdrucker der Medici - Eine Hommage an Michael Wagner
fühlt er sich ihm einen Moment lang verwandt.
Buchhändler ist Wagner genug, als dass er Schumachers Ärger nicht verstehen könnte. Gerade der historische Roman, der sich wachsender Beliebtheit erfreut, steht ganz oben auf den Verbotslisten. Das sorgt für Umsatzeinbrüche, ist doch der Handel mit Werken von Balzac, Dumas, Hugo, Stendhal und Manzoni untersagt. Von Walter Scott, der die Mode des Historienromans ausgelöst hat, sind siebzehn Bücher –
Und wieder springt Schumacher durch die Offizin: Luise Mühlbach, Karl Spindler, selbst der renommierte Ludwig Tieck, alle verboten!
Wie wird sich Schumacher erst aufführen, wenn er erfährt, dass nicht einmal der Wiener Hofsekretär Friedrich Schlegel mit Schonung rechnen darf, fragt sich Wagner. Dass die regionale Literatur, immer Standbein seiner Offizin, nicht in Schwung kommt, schmerzt ihn sehr. Die besten Autoren kehren, angewidert von den Verhältnissen, dem Land den Rücken. Muss es Schumacher nicht fast recht sein? Er hat die Druckerei neu einzurichten. Die Aufständischen hatten das Setzmaterial geplündert und alles Blei im wahrsten Sinn des Wortes verschossen. Davon abgesehen, von der Druckkunst versteht der Schwabe nichts, da lässt sich Wagner nicht beirren. Aber er gibt zu, von der Geldanlage hat Schumacher Ahnung. Er erwirbt das Haus in der Kirchgasse 6 und vergrößert die Offizin somit um das Doppelte. Respekt ringt es Wagner auch ab, dass sich der einstige Bürgermeister an den Ausbau des Zeitungswesens macht. Die
Innsbrucker Zeitung
erscheint, dann der
Bote für Tirol und Vorarlberg
. Zudem beweist Schumacher Weitblick, er schickt seinen Sohn ins Ausland, damit dieser sich dort auf seine künftigen Aufgaben vorbereite. Bestimmt legt er damit den Grundstein für eine bessere Zukunft, denkt Wagner.
Als Casimir Schumacher 1824 stirbt, hat sein Sohn die Lehre noch nicht abgeschlossen. Einstweiliger Geschäftsführer wird Jakob Hinterwaldner. Dem setzt man bald einen neuen Leiter vor die Nase, und er macht sich selbständig. In einer Zeitungsanzeige kündigt er die Eröffnung einer Leihbibliothek an. Sofort macht sich Wagner auf den Weg. Gleich am Eingang zur Bibliothek wird er nach seiner Mitgliedschaft befragt. Auf neun Gulden belaufe sich der jährliche Beitrag.
Kann die Rechnung aufgehen, wundert sich Wagner, wo doch das Jahresgehalt einer Köchin die zwanzig Gulden kaum übersteigt? Jeder Abonnent könne so viele Bücher lesen, wie er wolle, doch werde nie mehr als ein Band ausgegeben, erklärt Hinterwaldner. Wer aber unbedingt zwei Bücher entlehnen möchte, zahle vierzehn Gulden im Jahr.
Wagner schaut sich um. Die Bücherei ist ganz nach den Richtlinien der Zensur bestückt. Wie viele Bücher er auf Lager habe? Gut 7.000 Stück, erwidert Hinterwaldner. Mehr als zwei Drittel seien wissenschaftlichen, belehrenden oder theologischen Inhalts, fügt er hinzu. Ob er Klassiker in Latein und Griechisch führe? Selbstredend, erwidert der Bibliothekar. Ferner könne er mit Bürger, Gellert, Herder, Novalis, Schiller und Wieland dienen. Auch mit Goethe in –
Goethe in über zwanzig Bänden! Hat er nicht als Student im Selbstverlag publiziert? Für den Druck seines Götz musste er tief in die Tasche greifen. Beim Werther geriet er an Weygand, gut, der war ein Geizhals, an Honorar wird für den angehenden Dichterfürsten nicht viel herausgeschaut haben. Klagte er nicht, seine Autorenschaft habe ihm die Suppen noch nicht fett gemacht? Und nun ist er der besthonorierte Autor seiner Zeit. Sein Verleger Cotta, heißt es, müsse ihm Abermillionen an Tantiemen ausbezahlen. Gewiss, Cotta verdient auch, zumindest an Prestige. Und Hinterwaldner? Der hat längst begriffen, dass die Literatur im Vormarsch ist – wenn man ihr keine Steine in den Weg legt. Wo die im Verzeichnis aufgelisteten italienischen und französischen Bücher seien, bohrt Wagner nach. Ein vielsagender Blick ist die Antwort.
Etwas skeptisch steht Wagner dem Buchverleih gegenüber, allerdings scheint er sich bezahlt zu machen. Sogar auswärtige Leser gehören zu den Kunden, bekommen die bestellten Bücher mit der Post zugeschickt. Diese Art des Buchverkehrs hätte ihm zwar früher manchen Fußmarsch erspart, ihn aber mit Sicherheit ruiniert. Der Postillion als Buchführer? Wie reagieren die Buchhändler? Dass sich der Kommissionshandel durchsetzen würde, war abzusehen. Selbst die Leipziger mussten das billigen und dem Druck der Reichsbuchhändler nachgeben. Hatten sie deren Forderungen
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