Der Buchdrucker der Medici - Eine Hommage an Michael Wagner
evangelischen Bekenntnis angehört. Er tritt zum Katholizismus über. Die Gründe dafür sind für Wagner unschwer zu erraten.
Veränderungen stehen an. Die österreichischen Buchhändler sind aufgewacht. 1859 gründen sie nach deutschem Vorbild einen Verein. Im selben Jahr übernimmt Johann Nepomuks ältester Sohn Anton Schumacher die Firma. Sofort modernisiert er die Schriftsetzerei und gründet eine weitere Filiale in Bregenz. Als Autor gewinnt er Hermann Gilm, in Tirol wegen seiner Spottgesänge auf die Jesuiten verfemt. Auch das
Tirolische Idiotikon
verlegt er. Und auf dem Gebiet der Herstellung von Werken der historischen Hilfswissenschaften wird die Offizin führend in Österreich.
Doch Wagner will mehr. Dass man den deutschen Verlagsbuchhändlern immer noch nicht das Wasser reichen kann, stört ihn. Wie ist es möglich, dass die große Monarchie im Vergleich zum kleinen Deutschen Reich eine so geringe Zahl an literarischen Produkten liefert? Ein Großteil der Belletristik muss importiert werden, selbst wenn es sich um österreichische Literatur handelt. Und warum gewinnt man keine deutschen Autoren? Dass es allein an den verheerenden Zensurbestimmungen liegt, will Wagner nicht glauben. Wurden die Literatur und ihre Urheber zu lange für vogelfrei erklärt? Hatte die Apostolische Majestät auf das siebte Gebot vergessen? An Trattner muss Wagner denken. Rasch verscheucht er den Gedanken an den einstigen Rivalen.
Gerne hätte Wagner seinen Kindern eine so gute Ausbildung angedeihen lassen, wie sie Schumacher seinem Nachwuchs ermöglicht. Seinen Söhnen steht der Weg zur Universität frei, seine Töchter besuchen höhere Schulen. Wagner sieht sie das angenehme Leben des Großbürgertums führen. Die Familie gehört zu den bestimmenden in der Stadt und ist sich ihrer Stellung bewusst. Da ähnelt sie seinen Nachkommen, vor allem Michael Anton gab viel auf sein Bürgermeisteramt. Aber dieses Dienertum! Selbst Schumacher berührt mit der Nasenspitze beinahe den Boden, wenn ein Hofrat naht. Freilich, auch damals war man Obrigkeiten mit Respekt begegnet. Doch man lebte mit ihnen Tür an Tür und scheute sich nicht, ihnen die Meinung zu sagen. Hätte er denn vor dem Stadtrichter Winkler einen Bückling gemacht? Alles nur Tünche, denkt Wagner und erblickt Schumacher in der Offizin. Wie ein Dirigent leitet er sein Orchester, das ihm mit Druckerschwärze zu Wohlstand verhilft.
Mittlerweile gibt es in Innsbruck vier Buchhändler, aber keine Leihbibliothek mehr. Dem schafft Anton Schumacher Abhilfe. Er gründet 1872 eine große Leihbücherei und sieht sich vor ein neues Problem gestellt: Es mangelt an Platz. Allein in der Druckerei stehen sechs Pressen und zwei neue Gießmaschinen, an die 40.000 Einzeltypen kann man damit pro Tag erzeugen. Wagner ist fasziniert. Vor allem von der Stereotypie-Anlage. Sie ermöglicht den schnellen Nachdruck, indem der Satz durch Abformung in Papier konserviert und bei Bedarf mehrfach nachgegossen werden kann. Die ursprünglich für den Satz benötigten Lettern stehen in der Zwischenzeit für andere Werke zur Verfügung. Was hätte er mit diesen Geräten nicht alles angestellt!
Achtzehn Setzer zählt Wagner im Betrieb, zwei Drucker und einen Maschinenmeister. Oft bekommen sie ihren Chef nicht zu sehen. Der eilt lieber von einer Verleihung zur nächsten. Kaum baumelt ihm die „goldene mit dem Allerhöchsten Wahlspruche gezierte Medaille“ vom Hals, darf er sich über das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens freuen. In der Stadt kennt ihn jeder. Schon von Weitem zieht man den Hut vor ihm, wenn er mit seinem großen Neufundländerhund des Weges kommt. Dass die Firma aufgrund ihrer ansehnlichen Ausdehnung und Tätigkeit den Titel einer k.k. Universitätsbuchhandlung erhält, ist nur Zugabe.
Seinen Töchtern und Söhnen ist Anton Schumacher ein gestrenger Vater. Wagner hört, wie der frischgebackene k.k. Universitätsbuchhändler seine Kinder ins Gebet nimmt. An Annehmlichkeit soll es ihnen nicht fehlen, Standesbewusstsein jedoch hat seinen Preis. Der muss in Bildung abgegolten werden, predigt Schumacher. Schlösser, Schmuck und Tand und nichts anderes im Kopf, das sei des Adels Sittsamkeit, eines Schumachers Tugend aber – Brav nicken die Kinder und schauen ehrfurchtsvoll zu den Büsten von Goethe, Schiller und Lessing.
Wagner erstickt fast am eigenen Gelächter. Sofort steht ihm jener Tag vor Augen, als Schumacher die Gipsköpfe weihevoll auf der Kommode aufgestellt hat. Täglich werden
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