Der Buchdrucker der Medici - Eine Hommage an Michael Wagner
nicht lange als Neid der Besitzlosen abgetan? Klar doch, sie haben immer noch die Nase vorn, die Sachsen. Einen Börsenverein der deutschen Buchhändler gründen sie. Umtriebig wie sie sind, werden sie bald einen Wisch an ihre Vereinsmitglieder austeilen, gespickt mit allerlei Lappalien, in großer Geste als Wichtigkeit angepriesen. Wie werden sie ihren Laufzettel nennen, Börsenblatt? Allerdings schadet eine Vereinigung nicht. So kann man mit geballter Kraft gegen die Zensur antreten. Und das Abrechnungswesen auf den Messen vereinfachen. Da blickt keiner mehr durch, und Unsummen versanden. Auch muss ein einheitlicher Buchpreis her. Es geht nicht länger an, dass der Konkurrent vor Ort ein Werk um einen Kreuzer billiger verkauft. Aber warum sich Gedanken machen? Die österreichischen Händler verschlafen die Entwicklung ohnehin, die Schweizer nicht minder.
Löblich indessen die Entwicklung in der Offizin. Johann Teutsch ist Geschäftsführer, er hat sein Handwerk in Augsburg erlernt. Bis Schumachers Sohn so weit ist, soll er die Geschicke der Firma leiten. Drei Jahre bleibt Teutsch an der Spitze des Unternehmens, dann lässt er sich in Bregenz als Buchhändler nieder. Wagner denkt an die Walz.
Was ist er nicht viel unterwegs gewesen früher! Die Wanderjahre, die Marktfahrerei, die Messen. Stets sehnte er sich bereits am Tag der Abreise nach Hause zurück. Und was machen die neuen Unternehmer? Sie kehren der Stadt freiwillig den Rücken. Der junge Schumacher geht auf Hochzeitsreise, hat man so etwas schon gesehen.
Gespannt blickt Wagner auf Casimir Schumachers Sohn, sehr widerwillig tritt dieser das Erbe an. Ein wenig kann er ihn verstehen, der junge Mann hat in Frankfurt, Paris und Mailand seine Ausbildung genossen. Nun steht ihm eine von Bergen umringte Zukunft im biedermeierlichen Innsbruck bevor. Kurz erwägt er gar, den väterlichen Betrieb auf Leibrente zu veräußern. Als Schumacher der Versuchung widersteht, atmet Wagner erleichtert auf. Das also ist überstanden, und jetzt an die Arbeit!
Dazu braucht er Schumacher nicht zweimal aufzufordern. Zielstrebig macht sich Johann Nepomuk an die Modernisierung des Betriebs. Neues Setzmaterial schafft er an, eine eigene Schriftgießerei richtet er ein. Dem nicht genug, er bestellt eine Druckmaschine, aus England kommt das wuchtige Gerät, eine Stanhope. Wagner hebt erstaunt die Braue, statt der Ballen für die Farbe verfügt die Presse über Walzen, mit wenig Kraftaufwand lassen sich zwei Buchseiten in einem Zug drucken.
Den alten Schumacher konnte er nicht – Über die Toten nur Gutes! Der Junge jedenfalls ist ein Drucker durch und durch. Bei Leo Müller gibt er eine Maschine in Auftrag. Wagner weiß, seit Jahren tüftelt der Vorarlberger Erfinder an der Weiterentwicklung einer Schnelldruckpresse. Schumachers Zahlungsvorschuss erleichtert ihm die Arbeit. Und bald steht die erste verbesserte Presse österreichischer Herkunft in der Wagner’schen Offizin.
Dass Casimir Schumachers Sohn es schafft, bei derart großem Arbeitspensum noch ins Theater zu gehen, wundert Wagner. Gehört er auch dem Musikverein an? Für alles gibt es mittlerweile Vereine. Einen Museumsverein, einen Kunstverein, einen der Sparkassen, einen der Steinklauber – selbst dem jungen Schumacher, den Wagner als Mann der Tat schätzt, ist diese Marotte eigen: Er sammelt Mineralien. Das scheint groß in Mode zu sein. Der Winkler bezahlt gar Beiträge an einen montanistischen Verein. Und bestellt sich ein Buch zur Mineralogie! Will er seiner Vergnügungslust einen wissenschaftlichen Anstrich geben? Schumachers Gattin ist selbstverständlich beim Frauenverein. Der ist immerhin nützlich und handelt im sozialen Interesse. Und was macht Schumacher jetzt wieder – will er ein Klavier kaufen? Er reist zu Seuffert und Seidler nach Wien, ein Freundschaftsbesuch wird das nicht sein.
Buchhändlerisch hat Johann Nepomuk Schumacher zunächst mit ähnlichen Problemen zu kämpfen wie sein Vater. Der zweiten großen Buchhandlung in der Stadt, der des Felizian Rauch, geht es um keinen Deut besser, vermerkt Wagner und ärgert sich: Zensurbedingt müssen einige Leser selbst tätig werden, bestellen auf eigenes Risiko in München und Nürnberg. Dabei nehmen sie in Kauf, dass das Porto mehr kostet als die Bücher selbst. Von diesen wenigen aufgeweckten Geistern abgesehen, scheint sich die Stadt im Tiefschlaf zu befinden. Aus dem erwacht sie auch nicht, als man 1848 allerorts zur Revolution bläst, stellt Wagner
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