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Der Buchdrucker der Medici - Eine Hommage an Michael Wagner

Der Buchdrucker der Medici - Eine Hommage an Michael Wagner

Titel: Der Buchdrucker der Medici - Eine Hommage an Michael Wagner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph W Bauer
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sie abgestaubt, natürlich vom Personal. Ähnliche Reden wie die von Schumacher hatte er dagegen schon bei seinen Enkeln und Urenkeln vernommen. Bereits damals war die blaublütige Blödigkeit verpönt gewesen. Und bestimmt hätten Peter Michael und Maria Anna ihren Nachwuchs im selben Hochmut erzogen und ihn gelehrt, wie man vor dem Wissen einen Diener macht und vor dem Adelsstand den Lakaien. Damit hält man sich alle Optionen offen. Und Schumachers Blick verrät noch andere Absichten, da lässt sich Wagner nicht täuschen. Den Dünkel hat man eben im Blut, wessen Farbe er auch sei. Abgesehen davon: Der Pfalzgrafentitel wäre ihm damals durchaus zugestanden. Das hätte seiner Bürgerlichkeit keinen Abbruch getan.
    Frau Schumacher ist eine feine Dame und stets nach der neuesten Mode gekleidet. Trifft Wagner sie in der Stadt an, trägt sie elegante Kostüme, und darauf abgestimmt immer einen Hut. Hüte hat sie genug, denkt Wagner, jeden Tag eine andere Capote. Extravagant ist ihr Kopfschmuck allemal, mit Federn oder Blumen geschmückt, mit Samtbesatz oder Pelz. Besonders fein macht sie sich, wenn sie mit ihrem Mann ins Theater geht, sie liebt die Operette über alles, ihrem Anton haben es die Komödien von Raimund und Nestroy angetan. Erhaben schreitet er an ihrer Seite, lange Kleider führt sie aus, reich an Überwürfen, Falten und Volants, mit Spitzen, Borten und Seidenbändern verziert.
    Während sich die Schumacher im Theater sehen lassen, stattet Wagner ihrer Wohnung einen Besuch ab. Gleich nach dem Tod von Michael Alois war Anton Schumachers Großvater hier eingezogen. Geschmack haben sie, die Schumacher. Wagner bestaunt einen nussholzfarbenen Sekretär, dazu passend einen Schrank, an dessen Vorderseite er vergoldete Schnitzereien ausmacht. Auf einem mit grünem Stoff überzogenen Kanapee nimmt er Platz. Leicht geschweift die Seitenlehnen, mit abgerundeter Einfassung die Polsterung, angenehm weich. An den Wänden biblische Szenen, Drucke nach Schnorr von Carolsfeld –
    Und wo sind die Portraits, er und die Barbischin, die Kinder? Die Schumacher werden die Galerie doch wohl nicht verramscht haben! Vermutlich verstauben die Bilder im Keller. Wagner will beizeiten nachsehen gehen. Ihm gegenüber auf der Kommode die drei Gipsköpfe. In der Mitte Goethe, flankiert von – Wagner vertauscht die Büsten. Ob Schumacher es merkt?
    Drei Jahre nach Eröffnung der Leihbibliothek verlegt Schumacher das Sortimentsgeschäft aus der Altstadt in die Museumstraße. Wehmütig blickt Wagner den Packern nach, die einen Buchstoß um den anderen aus dem Haus schleppen, das sein Sohn Jakob Christoph einst erworben hatte. Als er aber die neuen Räumlichkeiten sieht, ist er begeistert. Ein ganzes Erdgeschoß steht der Buchhandlung zur Verfügung.
    Vorsichtig tapst Wagner durch das Parterre. An seine Anfänge als Buchführer muss er denken und schüttelt entgeistert den Kopf. Während Wagner die Schritte zählend den Geschäftsraum durchmisst, erfolgt bereits der Umzug der Schriftgießerei in ein Gebäude auf der gegenüberliegenden Seite des Inns. Hernach macht sich Schumacher an die Erweiterung der Leihbibliothek und den Ausbau der Druckerei, in der er auf Dampfbetrieb umstellen lässt.
    Zur Eröffnung der Buchhandlung wird ein rauschendes Fest gegeben, man feiert bis spät in die Nacht. Alle Schulterklopfer der Stadt sind anwesend, vom Bürgermeister bis zum niederen Beamten. Schumacher weicht pikiert zurück, als sich ihm ein Mann mit wild herabhängendem, schulterlangem Haar nähert. In weiten, sackartigen Kniehosen steckt der Kerl, unterm zu kurz geratenen Wams lugt in der Taille und an den Armen das Hemd hervor. Schumacher schiebt es auf den Traminer und muss noch einen kräftigen Schluck nehmen, als ihm sein Gegenüber die Hand schüttelt und feierlich erklärt: Willkommen in meinem Haus.
    Auch Wagner hebt das Glas. Plötzlich muss er an die Gächin denken. Sie hatte recht, ist er überzeugt. Das Klirren der Gläser vertreibt die Dämonen. So kann es weitergehen.
    Beißender Rauch steigt Wagner in die Nase, treibt ihm Tränen in die Augen. Von würgendem Husten gebeutelt, richtet er sich auf, spürt ein Brennen in den Lungen. Kohlschwarze Wände sieht er und Feuerwehrmänner, die sich mit einem Schwamm vor dem Mund durch den Qualm kämpfen. Einen Mann des Trupps hört er in entsetzlichen Schreien nach Luft ringen. Vor Beklemmung zerrt ein anderer konvulsivisch an seinem Koller, den er um Hals und Schultern trägt. Einem Dritten

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