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Der Buchdrucker der Medici - Eine Hommage an Michael Wagner

Der Buchdrucker der Medici - Eine Hommage an Michael Wagner

Titel: Der Buchdrucker der Medici - Eine Hommage an Michael Wagner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph W Bauer
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bricht der Estrich unter den Füßen weg, und er stürzt in das darunter liegende Stockwerk. Zum Glück kommt er auf dem Setzkasten zu stehen, und rasch hantelt er sich an einem herabgelassenen Schlauch wieder hinauf. Lauwarm trieft das Wasser von den Mauern, schießt über die Stufen des Haupthauses einem Wildbach gleich herab. Das Feuer ist von einer Wucht, dass sich die gusseisernen Träger im Erdgeschoß krümmen. Aus den rückwärtigen Zimmern des vierten Stocks dringt ein Winseln. Doch die Feuerwehrmänner haben alle Hände voll zu tun, die Bewohner des Hauses zu bergen. Für den Neufundländer kommt jede Hilfe zu spät.
    Nun lassen sich Schnee und Regen eines trübseligen Winternachmittags auf der ausgebrannten Stätte nieder. Immer noch ergießen sich Wassermassen vom Dachstuhl und von den Böden. Wagners Finger streichen über das aus den Setzkästen hervorgequollene Letternmaterial, eingeschmolzen ist es, erstarrt in bizarren Formen. Das Haus, das sein Sohn einst erworben hatte und in dem über 200 Jahre die Geschicke der Firma geleitet wurden, ist eine einzige Brandruine.
    Über die Brandursache wüsste Wagner gerne Bescheid. Allerdings – spielt der Grund noch eine Rolle? Schumacher vermutet ein nach Arbeitsschluss achtlos weggeworfenes Zündholz. Seine Angestellten widersprechen. Wagner hört sie tuscheln. Der Alte habe doch schon vor der Feuersbrunst einen Auszug geplant, ihn aber aus Kostengründen immer wieder aufgeschoben. So erzwinge eben das Schicksal die Übersiedlung. Und für den entstandenen Schaden komme die Versicherung auf.
    Wagner wendet sich ab, er hat andere Sorgen: Die Bücher, entsetzlich sehen sie aus, die sind nicht mehr zu verwenden. Wenigstens ein Großteil der Manuskripte konnte vor den Flammen gerettet werden. In der Brandnacht hat er einige Autoren gesehen, die mit Tränen in den Augen in der Kirchgasse aufgetaucht sind. Wo ist Schumacher? In der Erlerstraße treibt er sich herum, will er etwa – Schon unterzeichnet er einen Mietvertrag. Im Keller eines Hauses bringt er die Überreste der Setzerei unter. Doch warum Zins bezahlen, wenn man plötzlich über genügend Kapital verfügt. Schumacher erwirbt den gesamten Gebäudekomplex, Wagner hätte es nicht anders gemacht.
    Gleich treibt Schumacher die Umbauarbeiten voran und lässt das Haus für Druckereizwecke einrichten. Am Jahrestag des Brandes wird der Betrieb aufgenommen. Wagner findet Verlags- und Zeitungsgeschäft sowie die Leihbibliothek unter einem Dach untergebracht. Der Kirchgasse kehrt Schumacher ohne Gram den Rücken. Der Umzug war längst überfällig, muss Wagner zugeben. Die Räumlichkeiten waren für einen modernen Druckereibetrieb unbrauchbar geworden. Dennoch schnürt es ihm die Brust ab.
    Anlässlich der Tiroler Landesausstellung im Jahr 1893 ist Franz Joseph zugegen. Anton Schumacher überreicht dem Kaiser –
    Wagner springt wie von der Tarantel gestochen auf. Das
Handbüchel zum Exercieren für die tirolische Landmiliz
! Er hat es gedruckt, jeden einzelnen Satz, Wort für Wort mit dem Winkelhaken auf das Setzschiff gelegt. Dann das Papier angefeuchtet, damit es die Farbe besser annehme. Es ist eines der ältesten Bücher dieser Art in der ganzen Monarchie! Warum gibt Schumacher es aus der Hand? Was verspricht er sich davon? Einen Brief wird er bekommen, ein paar Monate später:
    „Bei Gelegenheit des Allerhöchsten Besuches der Ausstellung in Innsbruck hatten Euer Hochwohlgeboren die Ehre Seiner k. u. k. Apostolischen Majestät ein Buch aus dem Jahre 1653 zu überreichen.
    Im Allerhöchsten Auftrage habe ich Euer Hochwohlgeboren davon Kenntnis zu geben, dass das Buch von Seiner Majestät allergnädigst aufgenommen und der Kaiserlichen Familien-Fideikommiß-Bibliothek einverleibt wurde.
    Zugleich haben Seine Majestät anzubefehlen geruht, dass Ihnen hiefür die Allerhöchste Anerkennung ausgesprochen werde, indem das Buch Seiner Majestät Interesse gewährt hat und Allerhöchst-Dieselben erkennen, dass dasselbe für Sie von besondern Werte sei als ein über zwei Jahrhunderte altes Erzeugnis der typographischen Anstalt, deren Eigenthümer und Leiter Sie heute sind.
    Es gereicht mir zum Vergnügen, Euer Hochwohlgeboren diese Kaiserliche Anerkennung hiermit auszusprechen,
    Wien, am 24. November 1893
    Seiner k.u.k. Apostol. Majestät Oberkämmerer
Graf Trautmannsdorf.“

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    Welch schönes Endziel für des Mannes Streben: Das Werk, gegründet durch der Vater Hand, stark übers Wechselspiel des Glücks zu heben,

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