Der Buchdrucker der Medici - Eine Hommage an Michael Wagner
Animositäten brechen auf und ziehen sich quer durch die Leserschichten. Wagner wundert sich, dass zahlreiche Kunden ihre Wahl des Geschäfts auf ideologische Beine stellen. Beiden Firmen erwächst ein Konkurrent in den Buchgemeinschaften. Der Versandhandel führt zu Umsatzeinbrüchen. Dafür floriert die Wagner’sche Leihbibliothek. In den 60er-Jahren hat sie wieder mehr als 30.000 Bücher zu bieten.
Verblüfft ist Wagner über die Beschwerden mancher Angestellter. Zu schlecht ausgeleuchtet sei ihnen das Geschäft. Zugegeben, das dunkle Holz der Theken hellt den Raum nicht auf. Doch wenn Wagner an seine Offizin zurückdenkt, sieht er im Kerzenlicht seinen Schatten an den Wänden tanzen.
Tief in Wagner steckt ein Bild, Kellergewölbe zeigt es, kaum mehr als zwanzig an der Zahl. Einmal waren diese Gewölbe beinahe im Mainhochwasser versunken. Da hatte die Frankfurter Messe bereits den Boden unter den Füßen verloren. Sein Enkel Michael Anton wurde schließlich Zeuge des letzten Frankfurter Messkatalogs. Nun aber –
Dass Frankfurt Leipzig noch einmal den Rang ablaufen würde, hätte Wagner nie für möglich gehalten. Die Teilung Deutschlands führt den Umschwung herbei. Das Leipziger Buchhändlerviertel mit seinen großen Kommissionslagern wurde durch die Fliegerangriffe beinahe zur Gänze vernichtet. Auch die Frankfurter Altstadt und mit ihr die Buchgasse gleichen einem Trümmerfeld.
Vier Jahre nach dem Krieg findet die erste Buchmesse statt. Holzverschlägen gleichen die Stände, ein paar Bretter ineinandergerammt, notdürftig zusammengenagelt. 1949 trifft Wagner ausschließlich deutsche Verleger, ein Jahr später setzt die internationale Beteiligung ein. Dann erfolgt der Umzug auf ein Messegelände, das mehr als viereinhalb Quadratkilometer misst. Das kann nicht gutgehen, ist Wagner überzeugt. Glaubt man wirklich, dieses Areal mit Besuchern füllen zu können? Der Größenwahn war immer das Tanzbein der Buchbranche. Verwunderlich, dass sie so selten auf dem Parkett ausgerutscht ist.
Die Wagner’sche Universitätsbuchdruckerei zieht ebenfalls um. Und ehe Wagner sich versieht, setzt man in der Buchhandlung zu Umbauarbeiten an. Danach ist das Geschäft doppelt so groß wie zuvor. Der ganze hintere Bereich des Parterres, wo sich das Lager befand, ist nun Verkaufsraum. Überall werden Scheinwerfer angebracht. Sie verbreiten ein Licht, das man zu Wagners Zeiten als Vorboten –
Der Verlust der Leihbibliothek schmerzt Wagner sehr. Sie fällt der Geschäftserweiterung zum Opfer. Fachbereiche werden eingerichtet, sie unterstehen speziell ausgebildeten Verkaufskräften. Frauen dominieren das Feld. Undenkbar früher, eine Buchkrämerin unterwegs mit einem Bücherfass? Im Gegensatz zu anderen Gewerben war die Buchführerei reine Männersache. Nach einem Arbeitstag spürte man jeden Knochen im Leib und die Lebenserwartung bei den Händlern war alles andere als hoch. Abgesehen davon: Welche Frau verfügte über Kenntnisse in Latein?
Und schon geht der Ausbau weiter, die erste Etage wird adaptiert, dann die zweite. Selbst ein Kaffeehaus richtet man ein. Längst werden nicht mehr nur Bücher angeboten. Blöcke und Hefte, Geschenkpapier, Tassen, sogar Gummistiefel findet Wagner im Sortiment. Um solcherart Waren verkaufen zu können, braucht man wahrlich kein Latinum. Andererseits, fast fühlt Wagner sich ein wenig zurückversetzt in seine Zeit als Buchführer. Wie ein Krämer ist er von einem Markt zum anderen gezogen – auch anderes als Bücher im Gepäck.
An der Spitze des Unternehmens steht mittlerweile eine Frau, die Schwester Eckart Hittmairs. Ihr Mann sei Arzt, hört Wagner, ein Dr. Hasenöhrl.
Brandalarm! Knapp ein Jahrhundert nach dem Feuer in der Kirchgasse zerstört ein Großbrand erneut die Druckerei. Man hat die Produktionsstätte mittlerweile an den Stadtrand verlegt. Die Arbeitsbedingungen in der Erlerstraße waren nicht mehr zumutbar gewesen.
Fast erweist sich der Brand als Segen. Der Schaden ist gedeckt. In einem Jahr gelingt der Wiederaufbau. Doch das Unternehmen schlittert zunehmend in die Krise. Wagner ist Geschäftsmann genug, um das zu erkennen. Gesellschaftsanteile werden nach Deutschland abgetreten mit dem Ziel, mehr Chancen auf dem Markt zu haben. Aber Buchroithner ahnt –
Konkurs wird angemeldet. Ein Investor findet sich. Die Drucker können aufatmen. Wagner fühlt mit ihnen, erinnert sich seiner Lehrzeit. Was hatte sein Meister von der Setzkunst gesagt? Sie sei „das nöthigste Stück bey
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