Der Buchdrucker der Medici - Eine Hommage an Michael Wagner
ist.“
Goethe wird ins Feld geschickt, Schiller, Ebner-Eschenbach, sogar Mozart rekrutiert man ins Heer der Stimmungsmacher: „Mein Vaterland hat allzeit den ersten Anspruch an mich.“
Karl Paulin bricht noch am 30. April 1945 eine Lanze für die Literatur und zitiert munter drauflos, „dieses erfuhr ich im Krieg, nicht die Lauten und Schrillen, nein!, die Treuen und Stillen tragen den Sieg.“
Wagner sucht im Sortiment nach den
Schönsten Tiroler Sagen
, gleich hat er sie gefunden. Als er die Buchhandlung verlässt, fallen ihm Zeilen ein, die kürzlich im Gaublatt standen: „Fürchte dich nicht, was zu fürchten ist, fürchte dich nur vor der Furcht.“ Die Abwandlung eines Hölderlinverses, exakt dieselbe hatte er am 12. März 1938 in den
Innsbrucker Nachrichten
entdeckt.
Schon wieder läutet das Telefon. Die Amerikaner stehen in Garmisch, warnt man den SA-Oberführer, es sei nur noch eine Frage der Zeit – Ein Schönwitz laufe vor nichts davon, antwortet der Goldfasan. Er würde gut daran tun, schnaubt Wagner. Sein Unternehmen gleicht einem Trümmerhaufen. Bei den Fliegerangriffen der letzten beiden Jahre wurden nicht nur die Zeitungsproduktion, sondern auch das gesamte Archiv und ein großer Teil der wissenschaftlichen Werke vernichtet.
Die Gebrüder Buchroithner erfahren davon nicht mehr. Engelbert Buchroithner Junior gilt seit 1944 in Russland vermisst. Sein Bruder Hellmut fällt am 29. April 1945 bei Kiel. Drei Tage später lügen die
Innsbrucker Nachrichten
vom Heldentod des Führers. Am nächsten Morgen erscheint die Zeitung nach mehr als neunzig Jahren ihr letztes Mal.
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Wohin jetzt mit den Büsten und Bildern des Führers? Seit Jahren verstauben sie im Lager. Als Verkaufsartikel hatten sie lange ausgedient. Gleichwohl, man war sich ja nicht sicher, wenn doch noch der Umschwung kommt? Ungern hätte man sich um die Reichsmark gebracht.
Gleich nach dem Anschluss war die Gestapo in der Buchhandlung aufgetaucht. Auch viele Privatbibliotheken hatte sie durchsucht. Tausende Bücher beschlagnahmt, vernichtet. Nun trifft die Naziliteratur das gleiche Schicksal.
Gestern noch mit den Zensurregistern der Nazis konfrontiert, nun Nachkriegsbuchhändler.
Ende des Jahres 1945 flattert eine erste „Liste der verbotenen Autoren und Bücher“ ins Haus in der Museumstraße, rund 2.000 Titel umfasst sie. Ein Bruchteil der gesamten faschistischen Literaturproduktion ist verzeichnet, „hauptsächlich bekannteres Schrifttum, über dessen Beurteilung kein Zweifel“ bestehen kann. Nicht weniges davon findet Wagner im Geschäft. Was geschieht mit den Büchern? Werden sie eingestampft? Die Bücher seien von den Buchhändlern „gut zu verwahren“, heißt es aus dem Ministerium. Über ihr endgültiges Schicksal solle ein Literaturreinigungsgesetz entscheiden. Es tritt nie in Kraft.
Erneut werden Fragebögen verteilt. Vergesslichkeit grassiert. Zahlreiche Buchhändler können sich überhaupt nicht an einen aufopfernden Kampf um das Deutschtum erinnern. Die zum Vergleich herangezogenen Fragebögen aus dem Jahr 1938 sind entlarvend.
Der Prokurist der Buchhandlung, der nach Hittmairs Tod die Geschäftsführung antrat, gilt den Behörden als besonders fanatischer Nazi. Wagner schaut ihm über die Schulter, ein Schriftstück setzt der Mann auf. Margarethe Hittmair und ihr Gemahl seien als Gegner der Nazis bekannt gewesen, schreibt er und bezieht sich auf die Entlassung des Professors aus dem Staatsdienst. Aus diesen Gründen habe er eine Gefahr für die Firma erblickt und sich entschlossen, der NSDAP beizutreten.
Wagner wundert sich. Wurde Hittmair nicht erst im September 1938 geschasst? Bereits vier Monate zuvor bat der Prokurist um Aufnahme in eine Partei, der gegenüber er sich stets passiv verhalten haben will, wie er nun formuliert. Das Geschäft sei den Bonzen im Gauhaus ein Dorn im Auge gewesen, dreimal habe man die Schließung der Buchhandlung angedroht. Hätten sie den Laden doch zugesperrt! Eine besonders strenge Rüge sei dem Ärmsten erteilt worden, weil er ein Buch mit Tiroler Sagen –
Wagner wendet sich ab, will den Dreck nicht mehr lesen.
Der Universitätsverlag Wagner ist wiederauferstanden. Einer der Direktoren der Vorkriegszeit übernimmt die Leitung. Seinen Namen kennt Wagner von der Kinderfreund-Anstalt. Den illegalen Nazi Günther von Grothe hat er hingegen schon vor dem Krieg nicht mehr gesehen. Und Schönwitz? Kaum patrouillierten die Amerikaner in der Stadt, ward der Goldfasan nicht mehr
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