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Der Buddha aus der Vorstadt

Der Buddha aus der Vorstadt

Titel: Der Buddha aus der Vorstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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und kalt, als wir uns erschöpft hineinschlichen. Dad mußte um halb sieben aufstehen, und ich hatte meine Zeitungstour um sieben. Im Flur hob Dad seine Hand, um mich zu schlagen. Er war besoffener, als ich bekifft war, und so fiel ich dem undankbaren Schwein in den Arm.
    »Was zum Teufel hast du getan?«
    »Halts Maul!« sagte ich, so ruhig ich konnte.
    »Ich hab’ dich gesehen, Karim. Mein Gott, was bist du für ein verdammter Scheißkerl! Ein Arschficker! Mein eigener Sohn - wie ist das nur möglich?«
    Er war von mir enttäuscht. Verzweifelt rannte er auf und ab, als hätte er gerade erfahren, daß sein Haus bis auf die Grundmauern abgebrannt sei. Ich wußte nicht, was ich machen sollte, also äffte ich den Ton nach, in dem er vorher zu den Werbefritzen und Eva gesprochen hatte.
    »Entspann dich, Dad! Entspann deinen Körper, von den Fingern bis zu den Zehen! Schicke deine Gedanken in einen ruhigen Garten, wo...«
    »Ich schick dich zu einem verdammten Arzt, um deine Eier untersuchen zu lassen!«
    Ich mußte ihn am Weiterschreien hindern, bevor wir Mum und die gesamte Nachbarschaft um uns versammelt hatten. Ich flüsterte: »Aber ich habe dich gesehen, Dad.«
    »Du hast nichts gesehen«, sagte er mit äußerster Verachtung. Er konnte sehr arrogant werden, was wohl an seiner gutbürgerlichen Erziehung lag.
    Aber ich hatte ihn. »Mum hat wenigstens zwei Titten.«
    Dad ging auf die Toilette, ohne die Tür zu schließen, und übergab sich. Ich stellte mich hinter ihn und rieb ihm den Rücken, während er sich die Seele aus dem Leib kotzte. »Ich werde kein Wort mehr über heute nacht verlieren«, sagte ich. »Und du auch nicht.«
    »Wie kannst du ihn bloß so heimbringen?« fragte Mum. Sie stand hinter uns in ihrem Morgenmantel, der so lang war, daß er fast den Boden berührte und sie beinahe quadratisch aussehen ließ. Sie war müde. Sie erinnerte mich an die wirkliche Welt. Ich hätte sie gern angeschrien: Schaff mir diese Welt vom Hals!
    »Hast du nicht auf ihn aufpassen können?« fragte sie. Sie zupfte mich ständig am Ärmel. »Ich habe aus dem Fenster gesehen und stundenlang auf euch gewartet. Warum habt ihr nicht angerufen?«
    Endlich richtete Dad sich auf und drückte sich an uns vorbei.
    »Mach mir mein Bett im Wohnzimmer!« sagte sie. »Ich will nicht die ganze Nacht neben diesem nach Kotze stinkenden Mann schlafen.«
    Als ich ihr Bett gemacht und sie sich hingelegt hatte - das Lager war viel zu schmal und zu kurz und zu ungemütlich für sie -, gestand ich ihr: »Ich werde nie heiraten, okay?« »Ich kann’s dir nicht verdenken«, sagte sie, drehte sich um und schloß die Augen.
    Ich glaubte nicht, daß sie auf dieser Couch viel schlafen
    würde, und sie tat mir leid. Aber es machte mich auch wütend, wie sie sich selbst bestrafte. Warum konnte sie nicht stärker sein? Warum konnte sie nicht kämpfen, Zurückschlagen? Ich würde stärker sein, beschloß ich. In dieser Nacht ging ich nicht zu Bett, sondern blieb auf und hörte Radio Caroline. Ich hatte einen Blick auf eine Welt voller Aufregung und Möglichkeiten geworfen, eine Welt, die ich mir in meinen Gedanken bewahren wollte und die das Gerüst für meine Zukunft abgeben sollte.
    Nach diesem Abend schmollte Dad eine Woche lang und sprach kein Wort, nur hin und wieder deutete er mit dem Finger, etwa auf Salz und Pfeffer. Manchmal endete dieses Gestikulieren in einer komplizierten Marcel-Marceau-Zeichensprache. Besucher von einem fremden Planeten hätten bei einem Blick durch unser Fenster glauben können, wir seien bei einem Familienratespiel. Mein Bruder, Mum und ich standen um Dad herum und riefen uns mögliche Losungsworte zu, während er uns, ohne sich auf den Kompromiß eines freundlichen Wortes einzulassen, zu zeigen versuchte, daß die Regenrinne mit Laub verstopft war und die Seitenwand des Hauses feucht wurde, daß Allie und ich auf die Leiter steigen und die Rinne freimachen sollten, während Mum die Leiter halten könnte. Zum Abendbrot aßen wir schweigend unsere verschrumpelten Hamburger mit Pommes und Fischstäbchen. Einmal brach Mum in Tränen aus und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Mein Leben ist fürchterlich, fürchterlich!« schrie sie. »Sieht das denn niemand ein?«
    Wir sahen sie einen Augenblick lang überrascht an, dann aßen wir weiter. Mum machte wie immer den Abwasch, und keiner half ihr. Nach dem Tee verschwanden wir so schnell wir konnten. Mein um vier Jahre jüngerer Bruder Amar nannte sich Allie, um

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