Der buddhistische Mönch
dem Spiel steht. Smiths Leute haben die DVD mit Damrong gemacht und sind nach dem Selbstmord des männlichen Hauptdarstellers, kaum mehr als einen Kilometer von hier entfernt, höllisch nervös. In ungefähr dreißig Minuten wird Tom Smith dieselben Polizisten bestechen, die wir bestochen haben, damit sie ihm Kowlovskis Zimmer zeigen. Und auf dem Weg dorthin werden die Cops ihm von unserem Besuch erzählen, ihm verraten, dass wir bis morgen hier bleiben wollen. Was tut Smith in einem Land, in dem etwa zweihunderttausend Khmer-Rouge-Veteranen auf Beschäftigung warten? Wie lange würde es wohl dauern, ein kleines Einsatzkommando zusammenzustellen? Wahrscheinlich lässt er sich dabei sogar von der Polizei helfen – die hat sicher jederzeit ein Dutzend Auftragskiller zur Hand, vielleicht sogar Cops. Begreifst du denn nicht? Wenn, muss er uns in Kambodscha kriegen. Eine solche Gelegenheit lässt sich ein Typ wie er nicht entgehen. Denk an Nok. Sonchai, nehmen wir der Einfachheit halber an, dass ich in einem früheren Leben schon mal hier gewesen bin, ja? Ich kenne mich in diesem Land aus.«
»Das war nicht hier«, widerspreche ich, »sondern im vietnamesischen Danang. Damals warst du natürlich ein Mann, und schwarz.« Ich lächle sie freundlich an; sie ist schockiert. »Du solltest lieber nach Bangkok zurückfliegen. Ich möchte mich in Damrongs Heimatort umsehen, und dorthin gelangt man am leichtesten über die Grenze in der Provinz Surin.«
Wir beschließen, am Mekong-Ufer entlangzuspazieren, weil das alle tun. Der Fluss ist blutbraun und mythenbeladen; alle Menschen verbinden etwas anderes mit ihm. Sogar Kimberley trägt ein Stück davon in sich – verwegene Aktionen der Navy SEALs vor dreißig Jahren zum Beispiel. Der Mekong entspricht dem indischen Ganges und wurde von einem Drachen erschaffen. Darauf herrscht nicht der dichte Verkehr wie auf dem Chao Phraya; in Phnom Penh fließt der Mekong noch ruhig und träge dahin und verschmilzt bei Sonnenuntergang wie ein herabstürzender Feuerwerkskörper mit der roten Erde. Tagsüber treiben darauf einige Fischerkähne ohne Außenbordmotor; die wenigen Boote, die einen besitzen, sind so klein und leise, dass man meinen könnte, hier herrsche seit tausend Jahren ungestörter Friede.
»Ich liebe ihn«, erklärt die FBI-Frau mit leiser Stimme, den Blick auf den Fluss gerichtet. »Sorry«, fügt sie hinzu und legt die Hand auf meine Schulter. »Ich bin noch nie sechzehn gewesen. Es wird nicht lang dauern.«
»Morgen bist du wieder bei ihm«, tröste ich sie lächelnd.
»Nein, schon heute Abend«, berichtigt sie mich. »Ich hab ihm grad eine SMS geschickt.« Sie berührt meine Hand mit der ihren und ergreift sie dann vollends. »Du ahnst nicht, wie gut deine hellseherischen Fähigkeiten sind, Sonchai. Heute Nacht hatte ich den lebhaftesten Traum meines Lebens. Vietnam. Danang. Du hast recht, ich war schwarz und ungefähr neunzehn. Und beim Sterben wurde ich den Gedanken an ein Mädchen in Saigon nicht los. Meine einzige Sorge war es, sie nie mehr wiederzusehen. Ich verließ diese Welt mit einem Blick auf einen Schnappschuss von ihr.«
»Lek?«
»Ja, sie war ihm wie aus dem Gesicht geschnitten.« Sie sieht mir einen Moment in die Augen und schaut dann flussaufwärts in Richtung Laos. »Du erklärst mir doch die ganze Zeit, dass wir Menschen nichts anderes sind als die sichtbaren Enden aufs Engste miteinander verflochtener karmischer Ketten, die Tausende, ja, Millionen von Jahren zurückreichen. Aber auf eine verliebte Amerikanerin wolltest du die Theorie nicht anwenden, oder?«
Ich gebe mich geschlagen. Am liebsten würde ich nicht mehr über das Thema reden, doch nicht umsonst ist Kimberley eine farang. »Sonchai, du brauchst die Frage, die ich dir gleich stelle, nicht mit Ja oder Nein zu beantworten. Ich werde versuchen, in deinem Gesicht zu lesen. Ist das, was ich empfinde, wirklich nur der Reflex einer sexuell frustrierten Mittdreißigerin? Geht es dabei tatsächlich ausschließlich um Dominanz, Geld, Macht und Exotik? Ich weiß, er ist zehn Jahre jünger als ich, sehr feminin …« Sie hüstelt. »… und unwiderstehlich. Seine Schönheit und Sensibilität – eine amerikanische Polizistin wie ich kann es nur als Wunder begreifen, dass es so etwas wie ihn überhaupt gibt. Vorgestern Abend hab ich ihm zugesehen, wie er das Make-up für die Bar auflegte. Ich fand weibliche Schminkrituale immer langweilig, aber ihm hätte ich die ganze Nacht zuschauen können. Was
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