Der buddhistische Mönch
passiert da mit mir?«
27
Fünf Uhr früh: Der Busbahnhof in Surin ist so groß wie ein Flughafen; von dort gibt es Verbindungen überallhin, die meisten nach Bangkok. Schon zu dieser nachtschlafenden Zeit ist mein nomadisches Volk auf den Beinen. Wir verbergen unsere Rastlosigkeit hinter einer Fassade der Gelassenheit; wer sich genauer mit unseren Lebensläufen beschäftigt, wird feststellen, dass wir immer wieder vom Land in die Stadt und zurück ziehen. Wie Tempelhunde nehmen wir unsere Flöhe mit und hören nie auf, uns zu kratzen.
Von der FBI-Frau habe ich mich am Flughafen in Phnom Penh verabschiedet, wo sie sich auf ihrem Handy ein Bild Leks ansah. Er ist schön, natürlich, aber auch sehr Thai; für sie könnte er gut und gern ein Alien sein, doch sie betrachtete sein Foto, als würde sie seine geheimsten Gedanken kennen.
Ich habe Glück, noch einen Platz im hinteren Teil des Busses nach Ubon Ratchathani zu ergattern. Als der Fahrer den Motor anlässt, überkommt mich dieses vertraute Gefühl der Erleichterung, dass die Reise endlich losgeht. Er schaltet einen Monitor über seinem Kopf ein, und ein Video beginnt in den Passagierraum zu plärren. Es handelt sich um eine süßliche Romanze mit langen Stränden, schmachtenden Blicken und Großaufnahmen der dazugehörigen Augen; ich döse schon bald ein. Der Sitz ist ziemlich unbequem, was bedeutet, dass ich meine Haltung immer wieder verändern muss, indem ich die Knie gegen den Vordersitz drücke, mich drehe, den Kopf ans Fenster stütze und so weiter. In den Momenten, in denen ich nicht schlafe, sehe ich draußen fehlgeschlagene und deshalb unvollendete Bauprojekte, die sich schon seit Jahrzehnten an Ort und Stelle befinden, kümmerliche Bäche und dunstige Dschungelreste. Diese Ödnis zieht sich ein paar Kilometer lang dahin, bis wir Pak Cheung erreichen, wo die baufälligen Siedlungen vor dem dichten Grün des Hinterlandes wie Barrikaden wirken.
Nach dem Mittagessen entspinnt sich ein Gespräch mit meiner Sitznachbarin. Schon bald gestehen wir uns, dass wir beide im horizontalen Gewerbe tätig sind. Sie arbeitet an der Nana Plaza, wo sie in den vergangenen Monaten ziemlich erfolgreich war, und möchte nun einige Tage zu Hause bei ihrer fünfjährigen Tochter von einem Thai-Lover verbringen, den sie seit ihrem Geständnis, sie sei schwanger, nicht mehr gesehen hat. Es ist ihr deutlich anzumerken, dass sie sich auf die Hochachtung freut, die die Dorfbewohner ihr entgegenbringen werden, weil sie für ihre Eltern und Geschwister sorgt. – Eine schöne Abwechslung zum Nuttenalltag in Bangkok. Ich frage sie, ob sie Black Hill Hamlet kenne, den Ort, aus dem Damrong stammte. Sie nickt. Ja, sie sei ein paar Mal dort gewesen. Sogar für Isaaner Verhältnisse ist dieses Dorf bitterarm. Dort essen die Kinder Erde; man hat nur das Allernotwendigste.
In Ubon Ratchathani miete ich einen Wagen mit Vierradantrieb einschließlich Fahrer, um zu Damrongs Dorf zu gelangen. Jetzt bin ich mitten in Isaan. In der hereinbrechenden Dunkelheit verleiht die mystisch flache Landschaft einem das Gefühl, sich auf dem tiefsten Punkt der Erde zu befinden. Tagelöhner mit um den Kopf gebundenen T-Shirts rollen auf der Ladefläche von Pickups vorbei. Regelmäßig angeordnete Baumreihen halten den Wind ab von den kleinen Grundstücken, auf denen Frauen über Holzkohlenfeuern kochen; das Grün der Reisfelder kommt durch friedlich vor sich hin grasende Elefanten besonders intensiv zur Geltung. Mir fällt ein, dass die Provinz Surin Thailands Dickhäutergegend ist, in der am letzten Wochenende im November ein Fest stattfindet, das sogenannte »Zusammentreiben der Elefanten«, nach dem es auf den Straßen wochenlang von den Vierbeinern wimmelt. Hier auf dem Land verstehen die Leute es als Glück bringend, wenn die Kinder unter den vorbeitrottenden Tieren durchrennen.
Es ist dunkel, als wir in Damrongs Dorf ankommen, und müde, wie ich bin, mache ich mir nicht mehr die Mühe, irgendjemanden nach ihrer Familie zu fragen. Ich finde eine Frau, die mich für den bescheidenen Betrag von einhundert Baht – Frühstück inklusive – in ihrem Haus schlafen lässt, das wie alle anderen in der Gegend auf Pfählen ruht. Es besteht aus einem einzigen großen Raum, auf dessen Boden einige Futons liegen; in einer Ecke häufen sich die Habseligkeiten der Eigentümerin. Für sie als Witwe mittleren Alters gibt es bei einem männlichen Übernachtungsgast kein Problem mit der Schicklichkeit. Das Haus ist
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