Der buddhistische Mönch
Privatorganisationen an wie die Fliegen; hinter den getönten Fenstern von teuren Autos mit Vierradantrieb lugen blasse Europäergesichter hervor. Ein großer Teil der Stadt zerfällt. Im Revier zeigt Kimberley ihren Polizeiausweis vor. Hier darf offiziell keiner von uns beiden ermitteln, aber hier hält sich niemand an die Regeln. Für einhundert Dollar lassen sich die zuständigen Beamten problemlos zur Kooperation bewegen.
Die Wohnung, in der Stanislaus Kowlovski starb, befindet sich in einer Nebenstraße ungefähr zweihundert Meter vom Mekong entfernt. Wir folgen einem Polizisten, an dem die Uniform möglicherweise das einzig Offizielle in seinem Besitz ist, aus der blendenden Sonne in die dunklen Räume. Der klein gewachsene Mann geht ein wenig gebeugt; an beiden Händen fehlen ein paar Finger. Offenbar erwartet er, dass wir von den mit einem Schwarm Fliegen besetzten Blut- und Hirnspritzern an der Wand genauso fasziniert sein werden wie er. Er kichert: »Großer Amerikaner, toller Körper, aber jetzt ist er tot. Verrückt. Was hat ihn wohl gequält? Überall im Land können sich die Menschen vor innerem Schmerz kaum bewegen; manchen wurden die Beine durch Landminen weggerissen. Dieser Typ hatte einfach alles. Mit so einem Körper hätte er jede Frau gekriegt, die er wollte, sogar farangs. Verrückt.«
Die Tatwaffe, eine in China hergestellte Kalaschnikow, haben wir bereits im Revier gesehen. Solche Gewehre bekommt man hier fast überall; wenn sie mehr als zweihundert Dollar kosten, kann man sicher sein, dass man über den Tisch gezogen wird. Allerdings haben die Beamten die Schnur in Kowlovskis Wohnung zurückgelassen, die er, die Waffe mit den Füßen festhaltend, benutzte, um den Abzugshahn zu betätigen. Eine ziemlich blutige Methode, denn der Schuss riss ihm den ganzen Unterleib weg und zertrümmerte seine Wirbelsäule. Die FBI-Frau und ich konzentrieren uns auf das Stück Seil. Offenbar wollte Kowlovski ein Statement abgeben, vielleicht auch eine Beichte ablegen: Das Ding ist leuchtend orangefarben und ungefähr einen Zentimeter dick, genau wie die Schnur, mit der er Damrong umbrachte.
»Alles in Ordnung?«, fragt die FBI-Frau mich.
»Klar.«
»Was denkst du gerade?«
»Dass er uns seine Habseligkeiten zeigen soll.«
Der Polizist empfängt seine Anweisungen eher von Kimberley als von mir, muss ich feststellen. Er führt uns vom Wohnzimmer (Linoleum, schmutziges Sofa, Fernseher) in den Schlafraum, wo ein Koffer auf dem Bett liegt. Wir brauchen uns keine Hoffnungen zu machen, dass wir hier irgendetwas Wertvolles aus seinem Besitz finden. Beim Durchsehen seiner Kleidung, die in Gänze darauf angelegt ist, seinen außergewöhnlichen Körper zur Geltung zu bringen, und viel zu groß wäre für einen kambodschanischen Cop, entdecken wir seinen Geldgürtel. Natürlich ohne Geld, aber ein paar alte Flugtickets tauchen auf und noch etwas anderes, das die FBI-Frau mir mit einem fragenden Blick reicht: ein Elefantenhaararmband. Ich erzähle ihr, dass Tom Smith bei unserem letzten Treffen eines trug, genau wie Baker. »Smith sagt, er habe es an einer Skytrain-Station von einem exzentrischen Mönch bekommen.«
Kimberley schüttelt verwirrt den Kopf. »Ich dachte, dein Mönchsfreund treibt sich in Bangkok rum?«
»Ist mit dem Flugzeug nur eine Stunde weg, und Mönche dürfen genauso fliegen wie wir.«
»Aber schwören sie denn nicht, in Armut zu leben und kein Bargeld zu besitzen?«
Ich nicke schweigend.
»Warum Kambodscha?«, erkundigt sie sich schließlich.
»Tja, warum wohl Kambodscha?«
»Du hast gesagt, er habe sich hier ordinieren lassen.«
Wieder nicke ich.
Als Kimberley achselzuckend eine Shorts ausschüttelt, fällt ein zweites Elefantenhaararmband heraus. Ich bekomme eine Gänsehaut.
»Offenbar ein Statement dieses Mönchs«, sagt die FBI-Frau.
»Ja.«
»Aber für wen, wenn nicht für dich?«
Obwohl wir uns nun ernsthaft der Durchsuchung widmen, entdecken wir nichts Interessantes mehr. In der Leichenhalle identifizieren wir Kowlovski anhand von Bildern aus Kimberleys Fundus. Sein Körper ist beim Hochheben in zwei Teile auseinandergebrochen, die jetzt mit einer kleinen Lücke dazwischen in einer Kühlschublade liegen.
»In diesem Land ist es ein Wunder, dass sie es geschafft haben, Kopf und Füße an den richtigen Enden zu platzieren«, brummt Kimberley.
Die FBI-Frau braucht ein Bier, und ich auch. Als geeignetster Ort dafür erscheint mir der Foreign Correspondents’ Club direkt am
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