Der buddhistische Mönch
dessen erster Bezug die große Gunst der Geburt ist.
»Auf den ersten Blick mag Thailand wie ein chauvinistisches Patriarchat erscheinen; aber wenn man den Lack abkratzt, merkt man, dass wir von unseren Müttern beherrscht werden. Ich auf jeden Fall.«
»Und deswegen arbeitest du in ihrem Bordell, obwohl sich alles in dir dagegen sträubt?«
»Ja«, gestehe ich, ihr nicht in die Augen sehend.
»Thais überlegen also ständig, wie sie A einen Gefallen entlocken können, mit dem sich eine Schuld ausgleichen lässt, die vielleicht schon seit der Kindheit gegenüber B besteht?«
»Jetzt hast du’s begriffen.«
»Moment mal – und was ist mit den Mädchen, die in den Bars arbeiten? Willst du mir weismachen, dass sie ihren Körper feilbieten, um eine Schuld ihrer Mutter gegenüber zu begleichen?«
»Ja, genau das tun sie.«
»Und den Müttern ist das klar?«
»Man schweigt sich darüber aus, aber eigentlich wissen alle Bescheid.«
Kimberley sieht mich über den Rand ihres Bierglases hinweg an und stellt es schaudernd ab. »Wow.« Sie schüttelt den Kopf. »Dann sind sie gar nicht unbedingt auf das horizontale Gewerbe eingestellt, sondern werden emotional erpresst und verzichten freiwillig auf eine gute Ehe und Kinder?«
»Das wäre ein bisschen zu drastisch ausgedrückt. Wir sind ein armes Land, Kimberley, da ist die Aussicht auf das alles nicht selbstverständlich.«
»Was hat das mit unserem Fall zu tun? Ich dachte, Damrong und ihr Bruder hassten ihre Mutter.«
»Genau. Gatdanyu ist ein ausgesprochen praktisches Konzept. Man schuldet demjenigen etwas, der einem einen Gefallen tut. Realistisch betrachtet, übte Damrong die Mutterfunktion für ihren Bruder aus, rettete ihm immer wieder das Leben und sorgte dafür, dass er die Schule schaffte.«
»Und sie fand auch nichts dabei, ihn daran zu erinnern, wie viel er ihr schuldig war?«
»Ich nehme es an.«
»Sie hat ihn also von frühester Kindheit an programmiert?«
»Wahrscheinlich.«
»Kein Wunder, dass der Junge Probleme hat.«
»Wie wir«, sage ich leise und deute mit dem Kinn in Richtung Mekong, an dessen Ufer Tom Smith in schicker Freizeitkleidung entlangspaziert. Der Junge und sein behinderter Bruder scheinen ihn nicht zu rühren. Das Lächeln und die flehenden Blicke frieren auf ihren Gesichtern ein, als er sie mit einem Knurren verscheucht. Da er ein kurzärmeliges Hemd trägt, sehe ich sofort das braune Elefantenhaararmband an seinem linken Handgelenk. Ich habe der FBI-Frau noch nichts von Smiths Klienten, dem chinesischstämmigen Australier, erzählt und hole das jetzt nach.
»Wir müssen hier weg«, erklärt Kimberley, als ich fertig bin.
»Warum?«
Sie schüttelt den Kopf. »Er ist ein consigliere, Sonchai, und den chinesischstämmigen Australier kenne ich auch, wie übrigens die meisten FBI-Agenten mit Erfahrung. Hier haben wir genau den internationalen Aspekt, den ich in Asien überprüfen soll.« Ich runzle die Stirn. »Wir glauben, dass er als Front für ein Syndikat reicher Freaks fungiert, die wir ›die Unsichtbaren‹ nennen. Sie stecken hinter ziemlich vielen Projekten: tödliche Gladiatorenkämpfe in der Sonora-Wüste, Snuff Movies in Nicaragua, Sadomaso-Streifen für Kunden in Schanghai, entführte Jungs aus zerrütteten Glasgower Familien für Ölscheichs im Nahen Osten – Fälle, in denen nie ermittelt wird, weil sie nach Ansicht Amerikas und des gesamten Westens hinter der Bühne passieren und die Drahtzieher zu wohlhabend und einflussreich sind, als dass man sie belangen könnte.«
Sonderlich überrascht bin ich nicht, aber ich sehe auch keinen Grund zur Panik, und das sage ich Kimberley. »Selbst wenn Smith aus demselben Grund hier ist wie wir, bestellt er vermutlich noch lange kein Exekutionskommando.«
Kimberley schüttelt wieder den Kopf. »Nicht zu fassen, dass ich dieses Land besser begreife als du. Kapierst du’s denn nicht? Hier gibt’s keine Gesetze. Und weißt du, was Menschen tun, wenn keine Gesetze existieren? Sie befördern andere Menschen, die ihnen im Weg sind oder so aussehen, als wären sie es, ins Jenseits. Das nennt man Kains Erstes Gesetz des Überlebens. Stell dir vor, du bist der consigliere eines einflussreichen internationalen Syndikats, das offiziell Mainstream-Pornographie vermarktet, dessen Hauptprodukt jedoch der Befriedigung psychotischer Millionäre dient. Weißt du, was für eine Macht dir das verleiht, wenn du auf ein Dutzend reiche Perverse Druck ausüben kannst? Denk nur, was hier auf
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