Der Bürohengst (Finn Falkner Reihe)
dass diese blöde Idee wieder in einem Fiasko enden wird. Aber warum eigentlich? Warum bin ich so aufgeregt? Mara hat doch recht. Ich habe ihn absolut in der Hand. Sogar seine Eltern können bezeugen, dass er mit einem seiner Studenten eine Affäre hatte.
„Schön, dass Sie so zahlreich erschienen sind“, fängt Marco an und schaut durch die Reihen. „Mein Name ist …“ Er stockt, als er mich sieht. Dann lächelt er. Verdammt er lächelt tatsächlich! „… Marco Kehlmann, ich bin …“
„Hast du das gesehen?“, wende ich mich an Mara, während Marco seelenruhig sein Programm abspult. „Der hat gelächelt!“
„Mal gucken wie lange noch!“
Aber Mara hält sich für den Rest der Stunde ziemlich ruhig. Und Marco schaut kein einziges Mal mehr zu mir rüber. Der Einzige, dem noch immer mulmig zumute ist, bin wohl ich.
„Hey, was war das eigentlich?“, frage ich nach der Sitzung, als Mara auch endlich auf den Campus kommt. Ich habe natürlich als einer der Ersten die Flucht ergriffen, als die Stunde vorbei war.
„Was?“, fragt Mara zurück.
„Soviel also zur vielbeschworenen Rache.“
„Sorry, ich fand’s halt – irgendwie doch interessant. Du nicht?“
„Ich hab nicht so viel mitbekommen.“
„Hey, vielleicht lohnt sich das Seminar wirklich. Jetzt mal ohne Scheiß. Egal ob Exlover oder nicht.“
„Mara, du machst mir Angst …“
Trotzdem sitzen wir eine Woche später wieder in der letzten Reihe und benehmen uns. In der WG läuft alles ein wenig enger ab, weil ich mit bei Lukas im Zimmer wohne. Marek macht sich ständig lustig, dass die Wohnung bald aus allen Nähten platzt, weil er auch andauernd seine Freundin bei uns übernachten lässt. Und Mara entwickelt sich gerade zur Superstreberin. Obwohl ich natürlich nicht weiß, ob das nicht vielleicht schon immer so war.
„Ist dir eigentlich aufgefallen, dass er mich kein einziges Mal angeguckt hat“, frage ich nach dem Seminar.
„Sollte er denn?“, fragt Mara zurück.
„Nein, aber …“ Ich weiß auch nicht. Es ärgert mich, dass Marco offenbar kein Problem damit hat, dass ich sein Seminar besuche.
In der Woche darauf werden Referatsthemen verteilt. Am Ende kommt wie immer die Frage, wer noch keine Aufgabe hat. Ich melde mich nicht, obwohl ich kein Referat übernommen habe. Irgendwie habe ich das Gefühl, nicht vor allen sprechen zu können, wenn Marco im Raum ist. Wahrscheinlich würde er mich auch voll auflaufen lassen, indem er besonders fiese Fragen stellt. Wenn Mara nicht plötzlich so begeistert wäre vom Thema , hätte ich sicherlich schon das Handtuch geworfen.
Und dann kommt’s: In der vierten Seminarwoche ruft mich Marco tatsächlich am Ende der Stunde auf.
„Finn Falkner?“, fragt er und schaut gespielt in die Runde.
Ich bin so erschüttert, dass ich gar nichts sagen kann. Mara stößt mich in die Seite.
„Finn Falkner?“ Marco hält die Referatsliste hoch. Dann tut er so, als ob er mich gerade gefunden hätte, obwohl er ganz genau weiß, dass ich immer hier hinten sitze. „Kommen Sie nach der Stunde bitte zu mir, ich habe von Ihnen noch kein Referatsthema.“
„Scheiße“, murmle ich.
Mara winkt ab. „Ach, mach dir nicht ins Hemd. Du sagst ihm einfach klipp und klar, was Sache ist und fertig.“
„Sag mal, du bist schon noch meine Freundin, oder?“
„Klar, ich komm mit, wenn du willst. Im Händchenhalten bin ich große Klasse.“
„Schon gut“, sage ich leicht ärgerlich. „Du hast ja sicherlich Wichtigeres zu tun.“
„Ja, du weißt doch, ich hab gleich Phonetik und ich muss den Text für heute noch …“
„Wie gesagt: schon gut .“ Aber nichts ist gut. Ich bin plötzlich richtig sauer auf Mara. Erst überredet sie mich zu diesem Scheißseminar und dann lässt sie mich hängen. Ja, okay, die ganze Idee war bescheuert. Ich hätte mich gar nicht erst darauf einlassen sollen, immerhin wollte ich das Seminar ja nie wirklich stören, auch wenn mir der Gedanke an Rache natürlich gefallen hat. Aber ich bin nicht der Typ, der hier vor allen Leuten eine Show abzieht. Einfach so mitarbeiten, als wäre nichts geschehen, das kann ich aber auch nicht.
„So, ich bin dann mal raus“, sagt Mara. „Mach ihn fertig, okay?“
„Klar“, gebe ich ironisch zurück und zwinge mich, ihr Lächeln zu erwidern. Blöde Kuh!
„Finn Falkner?“, ruft Marco wieder und winkt mich zu sich nach vorne. Super, damit es nur ja alle mitkriegen und ich nicht klammheimlich verschwinden kann.
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