Der Bürohengst (Finn Falkner Reihe)
doch gesagt, dass es keine Kameras gibt!
Ich lösche meinen angefangenen Satz und schicke ein: Ach, nur so ;)
„Ich mach mich auf den Weg“, sage ich zu Toddy. Der nickt nur. Also werfe ich mir das Jackett über und gehe. Sören bedenkt mich wieder mit einem Blick.
Ich bin ziemlich nervös. In der oberen Etage sind bereits einige Meetingräume belegt. Zwei Herren in Schwarz haben es sich in der Lounge gemütlich gemacht und warten. Ich nicke im Vorübergehen. Obwohl ich von den Klamotten jetzt hier reinpasse, fühle ich mich trotzdem fehl am Platz. Bevor ich Marcos Büro erreiche, kommt er auch schon raus.
„Na?“ Er grinst.
„Woher weißt du, dass ich gechattet habe?“
„Ich hab dein Log auf.“
„Du kontrollierst, was ich die ganze Zeit mache?“
„Nein, ich schau es mir an, das ist ein Unterschied.“ Dann senkt er die Stimme. „Kontrolliert werden die anderen.“ Er zwinkert.
Soviel also zu Toddys vielbeschworenem Vertrauen in die Mitarbeiter. Plötzlich fühle ich mich ein bisschen unwohl. Das bedeutet ja, dass ich am PC keinerlei Privatsphäre habe. Und auch Toddys Nachricht hat Marco mitbekommen. Ich frage mich nicht zum ersten Mal, ob ich Marco Kehlmann, Dozent und Wirtschaftsberater, wirklich kenne.
Marco geht auf die beiden Männer in der Lounge zu und begrüßt sie. Auch ich schüttle jetzt ihre Hände und lächle angespannt. Dann geht’s in den größten Meetingraum. Das wirkt ziemlich komisch, da in den kleineren Räumen mehr Leute sitzen. Aber es macht natürlich was her, so viel Platz für nur vier Personen.
Nach einem kurzen Vorgeplänkel geht es ziemlich schnell zur Sache. Der Klient ist ein mittelständisches Unternehmen, das unter massivem Gewinneinbruch leidet. Laut dem Buch, das mir Marco gegeben hat, scheint der Fall geradezu ein Lehrstück für misslungene Kommunikation zu sein. Nach außen hat man das Produkt als hochwertig und umweltschonend aufgebaut, was auch gut funktioniert hat. Intern herrschte dagegen wohl eine ganz andere Firmenphilosophie. Das Grundproblem ist ein ehemaliger Mitarbeiter, der Missstände publik gemacht hat. Eigentlich ging es um den Klienten als Arbeitgeber. Allerdings haben sich negative Informationen über das Hauptprodukt in der Presse verselbständigt, sodass inzwischen der Markenname im Internet mit dem Zusatz Kundenverarsche verknüpft wird. Die Geschäftsführung hat das Problem lieber ignoriert und ist anwaltlich gegen den ehemaligen Mitarbeiter vorgegangen. Anstatt den Fehler einzugestehen und Besserung zu geloben, hat man sich für Vertuschung entschieden, was dem Klienten gerade um die Ohren zu fliegen droht.
„Was Ihre Offenheitsstrategie angeht, sind wir immer noch skeptisch“, sagt der Ältere der beiden. „Wir hatten bislang fast hundert Prozent zufriedene Kunden. Wir müssen die Presse irgendwie dazu bringen, uns positiv zu erwähnen.“
„Darf ich ganz offen sein?“ Marco beugt sich vor. „Ich kann Ihnen nur diesen einen Weg anbieten. Zufriedene Kunden sind gut, aber so zufrieden können die Kunden nicht sein, wenn es immer weniger werden. Sie haben einen Fehler gemacht …“
Der ältere Mann schnaubt. „Fehler!“
„Sie haben einen Fehler gemacht“, setzt Marco noch mal an. „Das ist okay, damit können die allermeisten Kunden umgehen, wenn Sie selbst auch damit umgehen können. Ihre Antwort auf den Fehler war aber, diesen zu leugnen, was die Presse auf den Plan gerufen hat. Spätestens jetzt kostet Sie der Fehler Kunden. Die Geschichte beruhigt sich aber nicht, weil Sie weiterhin leugnen. Wenn Sie jetzt auch noch die Presse für Ihre Zwecke einsetzen wollen, kauft Ihnen das eh niemand ab. Die Gefahr, dass das allerdings ebenfalls publik wird, ist enorm. Das würde noch mehr Kunden kosten. Wenn Sie das so weiter spielen, müssen Sie sich um Kunden bald keine Sorgen mehr machen. Die paar, die übrig bleiben, können Sie aber gern weiterhin nach ihrer Zufriedenheit befragen. Tut mir leid, aber die Zeiten, da sie den Leuten etwas vormachen können, sind vorbei. Und spätestens, wenn man Sie beim Lügen und Vertuschen erwischt, kostet Sie das mehr Geld, als Ihr Gesicht wert ist.“
In der Art geht es über zwei Stunden weiter. Marco zeigt auf, wo Fehler gemacht wurden und stellt dem seine Kommunikationsstrategien gegenüber. Und ich denke die ganze Zeit an Werner Zielke, der seiner Firma dank Marco um ein Haar einen Sexskandal beschert hätte.
Ich bin froh, als das Meeting vorbei ist. Komischerweise bin ich
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