Der Buick: Roman (German Edition)
schreien, dass es mir förmlich die Augen aus den Höhlen drückte, fühlte mich wie ein Frosch, den man am Bauch festhält und zudrückt.
Damals: Huddie
Ich zog mir auch ein Paar Handschuhe an und schnappte mir auch ein Werkzeug – ich glaube, es war ein Rechen, aber das weiß ich nicht mehr mit Sicherheit. Was es auch war – ich schnappte es mir und lief damit zu Eddie und George. Ein paar Sekunden später (oder vielleicht war es auch eine Minute, ich weiß es nicht, ich hatte mein Zeitgefühl verloren) sah ich mich um, und da war auch Shirley bei uns. Sie hatte sich ebenfalls Handschuhe angezogen und sich Arkys Pfostenlochbohrer genommen. Ihr Haar hatte sich gelöst und hing ihr ums Gesicht. Sie sah aus wie Sheena, die Königin des Dschungels.
Wir hatten alle daran gedacht, Handschuhe anzuziehen, aber wir waren alle verrückt. Völlig durchgeknallt. Wie das Ding aussah, die schnatternden, klagenden, kreischenden Geräusche, die es machte, sogar wie Mister D heulte und jaulte – das alles machte uns verrückt. Ich dachte nicht mehr an den umgekippten Tanklaster und daran, dass George Stankowski versuchte, die Kinder in den Schulbus zu setzen und in Sicherheit zu bringen, und auch nicht mehr an den zornigen jungen Mann, den Eddie und George Morgan angebracht hatten. Ich glaube, ich hatte völlig vergessen, dass es auch noch eine Welt außerhalb dieses stinkenden kleinen Schuppens gab. Schreiend holte ich mit dem Rechen aus und schlug damit immer wieder auf das Ding am Boden ein. Die anderen schrien auch. Wir standen im Kreis und schlugen und prügelten und schnitten es in Stücke; wir schrien es an, es solle endlich sterben, aber es starb nicht; es sah so aus, als würde es niemals sterben.
Wenn ich irgendwas davon vergessen könnte, würde ich am liebsten das hier vergessen: Ganz am Ende, kurz bevor es dann doch starb, hob es den Stumpf vor seiner Brust. Der Stumpf zitterte wie die Hand eines alten Mannes. An dem Stumpf waren Augen, und manche davon hingen mittlerweile an glänzenden Knorpelfäden herab. Das waren vielleicht die Sehnerven. Ich weiß es nicht. Jedenfalls hob sich der Stumpf, und für einen kurzen Moment sah ich mich selbst in meinem eigenen Kopf. Ich sah uns alle, wie wir da im Kreis standen und hinunterschauten, und wir sahen wie Mörder aus am Grab ihres Opfers, und ich sah, wie fremdartig wir waren. Wie grauenhaft wir waren. In diesem Moment empfand ich die fürchterliche Verwirrung dieses Wesens. Nicht seine Angst, denn es hatte keine Angst. Nicht seine Unschuld, denn es war nicht unschuldig. Es war auch nicht schuldig. Es war nur verwirrt. Wusste es überhaupt, wo es war? Ich glaube nicht. Wusste es, warum Mister Dillon es angefallen hatte und warum wir es umbrachten? Ja, das wusste es. Wir taten das, weil wir so anders waren, so anders und so grauenhaft, dass seine vielen Augen uns kaum sehen konnten, unseren Anblick kaum ertragen konnten, wie wir da schreiend um es herumstanden und darauf einhackten und einschlugen. Und dann hörte es endlich auf, sich zu regen. Der Stumpf des Rüsseldings vor seiner Brust sank wieder. Die Augen zuckten nicht mehr und starrten nur noch. Wir standen keuchend da, Eddie und George Seite an Seite. Shirley und ich standen ihnen gegenüber – auf der anderen Seite des Dings –, und Mister D war hinter uns und hechelte und jaulte. Shirley warf den Pfostenlochbohrer hin, und als er auf den Boden fiel, sah ich, dass noch ein Fetzen von dem gelben Fleisch des toten Wesens daranhing wie ein Brocken verseuchte Erde. Ihr Gesicht war kalkweiß, bis auf zwei leuchtend rote Flecken auf ihren Wangen und einen dritten roten Fleck, der sich auf ihrer Kehle bildete und aussah wie ein Muttermal.
» Huddie«, flüsterte sie.
» Was?«, sagte ich. Ich konnte kaum sprechen, so trocken war meine Kehle.
» Huddie!«
» Was, verdammt?«
» Es konnte denken «, flüsterte sie. Sie war entsetzt, und Tränen traten ihr in die Augen. » Wir haben ein denkendes Wesen umgebracht. Das ist Mord.«
» Ach Quatsch«, sagte George. » Selbst wenn es so wäre – was soll es bringen, jetzt davon anzufangen?«
Jaulend – aber nicht mehr so eindringlich wie zuvor – schob sich Mister Dillon zwischen Shirley und mir durch. Am Hals, am Rücken und auf der Brust hatte er große kahle Stellen im Fell, als hätte er die Räude. Eine Ohrspitze war anscheinend abgesengt. Er reckte den Hals vor und schnupperte an dem Kadaver, der vor dem Schuppentor lag.
» Bring ihn hier raus«, sagte
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