Der Buick: Roman (German Edition)
Nischen hatte anbringen lassen, waren noch da. Seine Wahl traf man aus einer Art Katalog, an dessen Seiten oben kleine Chromhebel zu Umblättern angebracht waren. Diese antiken Geräte funktionierten nicht mehr, aber man konnte es sich kaum verkneifen, an den Hebeln herumzuspielen, die Seiten umzublättern und die Songtitel auf den kleinen rosafarbenen Etiketten abzulesen. Gut die Hälfte davon stammte von Petes Lieblingssänger, waren Mitschnipp-Evergreens wie » Witchcraft« und » Luck Be a Lady Tonight « . FRANK SINATRA stand auf den Etiketten, und darunter, in kleinerer Schrift: the nelson riddle orch . Der Rest waren alte Rock- und Popsongs, die man sofort vergaß, wenn sie wieder aus den Charts verschwanden, und die anscheinend auch die Oldiesender nie spielten, obwohl sie doch eigentlich Sendezeit dafür haben mussten; wie oft konnte man sich » Brandy (You’re a Fine Girl) « schließlich schon anhören, ehe man anfing zu schreien? Ich blätterte den Jukeboxkatalog durch und schaute mir Stücke an, die keine eingeworfene Münze mehr hervorlocken würde. Die Zeit bleibt nicht stehen, mein Lieber; wenn du still bist, kannst du sie reuig weiterschlurfen hören.
Falls sich irgendjemand nach dem Buick erkundigt, sagt ihr, wir hätten ihn beschlagnahmt. Das hatte der alte Sarge gesagt, als wir uns an jenem Abend hier im Hinterzimmer versammelt hatten. Da hatten wir die Kellnerinnen schon rausgeschickt und zapften unser Bier selbst und auf eigene Rechnung, und die ging anschließend bis auf den letzten Penny auf. Eine Frage der Ehre, und wieso auch nicht? Wir waren schließlich ehrenhafte Männer und taten unsere Pflicht so, wie wir sie verstanden. Und daran hat sich nichts geändert. Denn wir sind die Pennsylvania State Police, die wahren Helden der Straße. Wie Eddie immer gesagt hat – als er noch jünger und dünner war: Das ist nicht nur ein Job, das ist ein Abenteuer.
Ich blätterte weiter. Da stand » Heart of Glass « von BLONDIE .
Diese Sache könnt ihr gar nicht vertraulich genug behandeln. Noch so ein weises Wort von Tony Schoondist, gesprochen, während der Zigarettenqualm in blauen Schwaden zur Decke stieg. Damals rauchten alle, Curt war vielleicht die einzige Ausnahme, und jetzt schau sich einer an, was es ihm geholfen hatte. Sinatra sang aus den Deckenlautsprechern » One for My Baby, « und vom warmen Büfett her kam der süße Duft von gegrilltem Schweinefleisch. Der alte Sarge war immer sehr dafür gewesen, Dinge vertraulich zu behandeln, zumindest was den Buick anging, bis sich sein Hirn dann auf Französisch empfohlen hatte – erst nur Hirnzellen-Infanterietrupps, die sich im Schutz der Dunkelheit davonschlichen, dann ganze Züge und schließlich am helllichten Tage komplette Regimenter. Was vertraulich bleibt, kann einem nicht schaden, hatte er einmal in seinem Büro zu mir gesagt – das war so um die Zeit, als klar wurde, dass ich und nicht Curt seinen Posten übernehmen würde; o Großvater, was hast du für einen großen Sessel. Bloß dass ich mich an diesem Abend alles andere als vertraulich verhalten hatte, nicht wahr? Ja, ich hatte den Mund aufgemacht und alles ausgeplaudert. With a little help front my friends, wie es in dem Song so schön heißt. Wir hatten die ganze Geschichte einem Jungen erzählt, der immer noch ins Spiegelkabinett der Trauer gesperrt war. Der trotz seiner Trauer vor verständlicher Neugierde förmlich platzte. Ein verlorener Junge? Vielleicht. Im Fernsehen gehen Geschichten wie Neds immer glücklich aus, aber ich kann Ihnen sagen: Das Leben in Statler, Pennsylvania, hat verdammt wenig Ähnlichkeit mit einem schönen Weihnachtsmehrteiler. Ich hatte mir eingeredet, es würde schon nicht schiefgehen, aber jetzt wusste ich nicht mehr, ob dem wirklich so war. Man fängt ja schließlich nicht mit etwas an, wenn man von vornherein mit einem Fehlschlag rechnet, nicht wahr? Nein. Man fängt damit an, weil man glaubt, es würde schon gelingen, und in sechs von zehn Fällen tritt man dabei auf einen im hohen Gras liegenden Rechen, und der Stiel knallt einem, rums, mitten vor die Stirn.
Erzähl mir, was passiert ist, als ihr die Fledermaus seziert habt. Erzähl mir von dem Fisch.
Hier war » Pledging My Love « von JOHNNY ACE .
Jedes Mal, wenn ich – oder einer der anderen – versucht hatte anzudeuten, dass es dabei vor allem darum ginge, dass er lernte loszulassen, hatte er das einfach beiseitegeschoben und nichts davon hören wollen. Fast verwunderlich, dass er
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