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Der Buick: Roman (German Edition)

Der Buick: Roman (German Edition)

Titel: Der Buick: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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wenigstens nicht auf meinen Wagen auffahren. » Geh wieder rein.«
    » Was ist denn?«
    » Nichts.«
    » Das hat er auch gesagt.« Sie deutete auf den Bel-Aire und schloss dann die Tür hinter sich.
    Ich lief im Schein des Blaulichts zum Tor von Schuppen B – so viele stressige Momente meines Lebens habe ich bei diesem Licht erlebt. Jeder Normalbürger, der mit Blaulicht überholt oder angehalten wird, bekommt Angst. Aber die haben keine Ahnung, welche Wirkung dieses Licht manchmal auf uns hat, was wir im Schein dieses Lichts schon alles gesehen haben.
    Wir ließen im Schuppen immer Licht brennen, aber jetzt war es heller dort drin als nur von der Nachtbeleuchtung, und die Tür an der Seite stand offen. Ich überlegte, dorthin zu laufen, rannte dann aber weiter geradeaus. Zuallererst wollte ich einen Blick aufs Spielfeld werfen.
    Am meisten fürchtete ich, weiter nichts zu sehen als den Buick. Als ich dann hineinsah, entdeckte ich etwas, was noch viel Furcht einflößender war. Der Junge saß hinter dem übergroßen Lenkrad des Roadmasters, und seine Brust war eingeschlagen. Wo sein Hemd gewesen war, klaffte nur noch ein leuchtend rotes Loch. Ich bekam weiche Knie, und dann wurde mir klar, dass es doch kein Blut war, was ich da sah. Vielleicht nicht. Dazu war es zu gleichmäßig geformt. Eine gerade rote Linie verlief unter dem runden Ausschnitt seines blauen T-Shirts … und dann Ecken … rechtwinklige Ecken …
    Nein, kein Blut.
    Der Benzinkanister von Arkys Rasenmäher.
    Ned bewegte sich hinter dem Lenkrad, und eine seiner Hände kam in Sicht. Sie bewegte sich langsam, wie im Traum. Er hielt eine Beretta. Hatte er die Pistole seines Vaters die ganze Zeit über im Kofferraum des Bel-Aire aufbewahrt? Vielleicht gar im Handschuhfach?
    Aber das spielte jetzt keine Rolle. Er saß mit Benzin und einer Schusswaffe in dieser Todesfalle. Was dich nicht umbringt, macht dich härter, dachte ich. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass Ned buchstäblich beides zugleich erreichen wollte.
    Er sah mich nicht. Eigentlich hätte er mich sehen müssen: Mein weißes, verängstigt blickendes Gesicht, das eines der dunklen Fenster ausfüllte, musste von dort, wo er saß, bestens zu sehen sein; und eigentlich hätte er auch den Lichtschein des Blaulichts auf meinem Wagendach sehen müssen. Aber er sah beides nicht. Er war ebenso hypnotisiert wie Huddie Royer damals, als der beschlossen hatte, in den Kofferraum des Roadmasters zu steigen und den Deckel hinter sich zuzuziehen. Ich spürte ihn sogar draußen, diesen gezeitengleichen Puls, diese Lebendigkeit . Es waren sogar Worte zu hören. Vielleicht bildete ich mir das nur ein, aber das kommt eigentlich aufs Gleiche hinaus, denn es war der Puls, der diese Worte erzeugte, der Pulsschlag, den wir alle von Anfang an in der Umgebung des Buicks gespürt hatten – manche von uns, der Vater dieses Jungen beispielsweise, deutlicher als die anderen.
    Komm rein oder bleib draußen, sprach die Stimme in meinem Kopf mit eisiger Gleichgültigkeit. Ich schlucke einen oder zwei, und dann schlafe ich. So viel Schaden richte ich noch an, und dann habe ich erst mal genug. Einen oder zwei – mir ist das egal.
    Ich sah zu dem runden Thermometer am Balken hoch. Die rote Nadel hatte sechzehn Grad angezeigt, ehe ich ins Country Way gefahren war, und nun war die Temperatur wieder auf vierzehn Grad gesunken. Ich konnte förmlich zusehen, wie die Nadel noch weiter sank, und mit einem Mal kam mir eine beängstigend lebhafte Erinnerung in den Sinn.
    Es hatte sich auf der Raucherbank abgespielt. Ich hatte geraucht, und Curt hatte nur so dagesessen. Die Raucherbank spielte eine seltsam wichtige Rolle, seit sechs Jahre zuvor das Rauchen in der Kaserne untersagt worden war. Dorthin gingen wir, um Ermittlungsnotizen abzugleichen, um Dienstplanprobleme zu lösen und um Pensions- und Versicherungsfragen zu diskutieren. Auf der Raucherbank hatte mir Carl Brundage erzählt, dass seine Frau ihn verlassen und die Kinder mitnehmen werde. Seine Stimme hatte nicht gebebt, aber beim Sprechen waren ihm Tränen über die Wangen gelaufen. Tony hatte dort zwischen Curt und mir auf der Bank gesessen ( » Jesus und die beiden Räuber«, hatte er mit einem süffisanten Lächeln gesagt) und uns mitgeteilt, dass er mich, wenn ich denn wolle, als Nachfolger für den Posten des Sergeant Commanding vorschlagen werde. Das leichte Funkeln in seinen Augen hatte mir verraten, dass er wusste, dass ich nur zu gern wollte. Curtis und ich

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