Der Buick: Roman (German Edition)
nicht, und das Thermometer stand auch wieder bei siebzehn Grad, aber dennoch spürte ich, wie er mich zu sich zog, hörte ich ihn flüstern, ich solle hereinkommen. Er könne mir schöne Dinge zeigen, flüsterte er, zumal wir jetzt allein seien. Als ich den Wagen so ansah, wurde mir eines klar: Ich war wütend auf Ned gewesen, weil ich Angst um ihn gehabt hatte. Ja, das war’s. Als ich ihn so sah und mitten im Kopf – und auch im Bauch und Unterleib pochend – seine gezeitengleiche Anziehungskraft spürte, war das mit einem Mal ganz einfach zu verstehen. Der Buick gebar Monster. Ja. Aber manchmal wollte man dennoch zu ihm hineingehen, wie man auch manchmal in einen Abgrund sehen wollte oder in die Mündung einer Pistole, bis sich dieses Loch am Ende des Laufs dann in ein Auge verwandelte. In ein Auge, das einen ansah. Es war sinnlos zu versuchen, solche Momente mit Vernunft zu bestehen oder den neurotischen Reiz zu ergründen, der von den Monstern, die manchmal kamen, ausging; nein, am besten trat man einfach von dem Abgrund zurück, steckte die Pistole wieder ins Holster und verließ schnellstens die Kaserne. Bloß weg vom Schuppen B. Bis man außer Reichweite dieser sanft flüsternden Stimme war. Manchmal ist weglaufen das einzig Vernünftige.
Trotzdem blieb ich dort noch einen Moment lang stehen, spürte das vage Pochen in meinem Kopf und um mein Herz herum und schaute hinein zu dem nachtblauen Buick Roadmaster. Dann machte ich kehrt, atmete tief die Abendluft ein und sah hoch zum Mond, bis ich mich wieder gesammelt hatte. Dann ging ich zu meinem Wagen, stieg ein und fuhr davon.
Im Country Way war nicht viel los. So ist das heutzutage immer, sogar freitag- und samstagabends. Die Restaurants draußen bei Wal-Mart und im neuen Einkaufszentrum werden die in der Stadt ebenso sicher ruinieren, wie das neue Multiplexkino am Highway 32 das alte Gern in der Stadt ruiniert hat.
Wie jedes Mal sahen mich die Leute an, als ich hereinkam. Aber sie schauten da natürlich eher nach meiner Uniform als nach mir. Zwei Typen – ein Deputy und ein Staatsanwalt – begrüßten mich und schüttelten mir die Hand. Der Staatsanwalt fragte, ob ich mich nicht zu ihm und seiner Frau setzen wolle, und ich lehnte dankend ab und sagte, ich sei noch mit jemand verabredet. Bei dem Gedanken, mit Leuten zusammenzusitzen und an diesem Abend noch mehr reden (oder auch nur plaudern) zu müssen, wurde mir schlecht.
Ich setzte mich in eine kleine Nische hinten im Hauptraum, und Cynthia Garris kam meine Bestellung aufnehmen. Sie war ein hübsches, blondes Ding mit großen, schönen Augen. Als ich hereingekommen war, hatte sie gerade einen Eisbecher gemacht, und es rührte mich, dass sie, nachdem sie das Eis serviert hatte und bevor sie mit der Speisekarte zu mir kam, den obersten Knopf an ihrer Uniform geöffnet hatte, sodass ich das kleine Silberherz sehen konnte, das sie an einer Halskette trug. Ich wusste nicht, ob sie das meinetwegen machte oder nur wegen meiner Uniform. Ich hoffte, meinetwegen.
» Hallo, Sandy! Wo warst du denn in letzter Zeit? Im Olive Garden? Im Outback? Im Macaroni Grille?« Gespielt verächtlich rümpfte sie die Nase.
» Nein, ich hab zu Hause gegessen. Was gibt’s denn heute als Tagesgericht?«
» Hähnchen mit Soße, gefüllte Muschelnudeln mit Fleischsoße – meiner bescheidenen Meinung nach beides ein bisschen schwer so spät am Abend – und gebratenen Schellfisch. Für einen Dollar mehr so viel du essen magst. Kennst du ja.«
» Ich glaube, ich nehme nur einen Cheeseburger und ein Iron City zum Runterspülen.«
Sie notierte das auf ihrem Block und sah mich dann eindringlich an. » Geht’s dir gut? Du siehst müde aus.«
» Ich bin auch müde. Hast du heute Abend jemand von der Troop D gesehen?«
» George Stankowski war vorhin hier. Aber sonst bist du der Einzige, Schätzchen. Der einzige Polizist, meine ich. Tja, die Typen da drüben …« Sie zuckte mit den Achseln, wie um zu sagen, das seien ja keine richtigen Polizisten. Wie der Zufall wollte, stimmte ich da mit ihr überein.
» Falls der Laden überfallen wird, halte ich die Räuber auch allein auf.«
» Wenn die mir ein anständiges Trinkgeld geben, können die den Laden gern ausrauben, du Held«, sagte sie. » Ich hol dir dein Bier.« Und weg war sie, und ihr knackiger Po schwang unter dem weißen Nylon hin und her.
Pete Quinland, der ursprüngliche Inhaber dieser Ranzbude, lebte schon lange nicht mehr, aber die Mini-Jukeboxen, die er in den
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