Der Buick: Roman (German Edition)
Innern des Buicks schluckte sie, und als sie verschwand, meinte ich zu hören, wie sie noch zweimal abgefeuert wurde. In diesem Moment schien der Sog um uns herum etwas schwächer zu werden. Vielleicht gelang uns die Flucht, wenn wir jetzt auf der Stelle die Bühne verließen.
» Zieh!«, schrie ich Arky an.
» Boss, ich zieh schon so stark, ich …«
» Zieh stärker! «
Es gab wieder einen heftigen Ruck, der mir die Luft abschnürte, als sich Curts Henkerknoten um meine Taille zusammenzog. Dann kam ich auf die Beine und stolperte dabei gleichzeitig rückwärts, während ich den Jungen immer noch vor mir gepackt hielt. Er keuchte, und seine Augen waren zugeschwollen, als wäre er ein Boxer, der schon zwölf Runden lang was auf die Schnauze bekommen hatte. Ich glaube, er sah nicht, was dann als Nächstes geschah.
Das Innere des Buicks war verschwunden, war von violettem Licht ausgehöhlt. Ein unbeschreiblicher, unfasslicher Durchgang hatte sich geöffnet. Ich sah durch eine infizierte Kehle in eine andere Welt. Vielleicht wäre ich dort so lange starr vor Schreck stehen geblieben, dass mich der Sog wieder gepackt und mich – uns beide – hineingezogen hätte, doch dann schrie Arky schrill: » Hilf mir, Steff! Um Gottes willen! Komm her und hilf mir!« Und das muss sie auch getan haben, denn ein, zwei Sekunden später wurden Ned und ich nach hinten gezerrt wie zwei Fische am Haken.
Ich fiel wieder auf den Rücken und schlug mir den Kopf an. Das Pulsieren und das Brummen waren miteinander verschmolzen, hatten sich zu einem Gebrüll vereint, das mir ein Loch ins Hirn zu bohren schien. Der Buick blinkte jetzt wie eine Neonreklame, und ein Schwall grüner Käfer wirbelte aus dem lodernd leuchtenden Kofferraum. Sie landeten auf dem Boden, krabbelten noch ein wenig und starben dann. Der Sog packte uns wieder und zog uns auf den Buick zu. Er war wie eine fürchterlich starke Unterströmung. Vor und zurück, vor und zurück.
» Hilf mir!«, schrie ich Ned ins Ohr. » Du musst mir helfen, oder wir werden aufgesogen!« Mittlerweile glaubte ich, wir würden so oder so aufgesogen, ob er mir nun half oder nicht.
Er war geblendet, aber nicht taub, und hatte beschlossen, dass er weiterleben wollte. Er stieß sich mit den Füßen so kräftig ab, wie er konnte, und seine wegrutschenden Turnschuhe spritzten Benzin auf. Gleichzeitig zogen Arky und Stephanie Colucci noch einmal kräftig an dem Seil. Wir flogen rückwärts fast zwei Meter auf die Tür zu, aber dann packte uns wieder die Unterströmung. Es gelang mir, das durchhängende Seil um Neds Brust zu schlingen und ihn so auf Gedeih und Verderb an mich zu binden. Dann rutschten wir wieder weg, und der Buick gewann den ganzen Boden zurück, den wir zuvor gewonnen hatten, und sogar noch mehr. Er zog uns langsam, aber unaufhaltsam zu sich. Ich bekam keine Luft und hatte einen klaustrophobischen Druck auf der Brust. Zum Teil kam das von der Schlinge. Zum Teil war es das Gefühl, dass eine riesige, unsichtbare Hand an mir zerrte. Ich wollte nicht dorthin zurück, aber wenn ich dem Wagen noch näher kam, würde ich dort landen. Würden wir beide dort landen. Je näher wir kamen, desto stärker wurde die Kraft, die uns zog. Bald würde sie das gelbe Nylonseil zerreißen wie einen feuchten Faden. Wir beide würden, immer noch aneinandergebunden, wegfliegen. In den kranken, violetten Rachen würden wir fliegen und in das, was dahinter lag.
» Letzte Chance!«, schrie ich. » Zieht bei drei! Eins … zwei … DREI !«
Arky und Stephanie, die Schulter an Schulter draußen vor der Tür standen, gaben alles. Ned und ich, wir stießen uns mit den Füßen ab. Wir sausten rückwärts, diesmal ganz bis zur Tür, doch dann packte uns die Kraft wieder und zog uns so unaufhaltsam zu sich, wie ein Magnet Eisenspäne anzieht.
Ich drehte mich auf die Seite. » Ned, der Türrahmen! Halt dich am Türrahmen fest! «
Er streckte blind den linken Arm aus. Seine Hand tastete herum.
» Rechts von dir, Junge!«, schrie Steff. » Rechts!«
Er fand den Türpfosten und packte ihn. Hinter uns stieß der Buick wieder einen monströsen violetten Blitz aus, und ich spürte, wie der Sog noch zunahm. Es war wie eine schreckliche neue Form von Schwerkraft. Das Seil um meine Brust hatte sich in ein Stahlband verwandelt, und ich bekam überhaupt keine Luft mehr. Ich spürte, wie meine Augen vortraten und meine Zähne vibrierten. Meine Eingeweide schienen ein Pfropfen unten in meiner Kehle zu sein. Das
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