Der Buick: Roman (German Edition)
schaute noch ein letztes Mal unter dem Wagen nach. Dann stand er auf und klopfte sich die Hose ab. » Also, ich weiß, eiskalt ist es nicht direkt, aber doch kälter, als es eigentlich sein sollte, findest du nicht?«
Sandy war eher warm – der Schweiß lief ihm übers Gesicht –, aber das hatte wohl mehr mit seinen Nerven als mit der Temperatur hier im Raum zu tun. Er glaubte, dass Curts Kältegefühl wahrscheinlich noch von dem herrührte, was er am Nachmittag vor der Tankstelle empfunden hatte oder sich eingebildet hatte zu empfinden.
Curt las ihm diesen Gedanken am Gesicht ab. » Du meinst, ich bilde mir das nur ein.«
Sandy sagte, er wisse es nicht.
» Vielleicht ist es kalt hier drin. Und vielleicht bilde ich mir das nur ein. Scheiße, ich weiß es nicht. Sehen wir in der Kaserne nach. Vielleicht pennt er unten im Lager. Wäre ja nicht das erste Mal.«
Die beiden Männer hatten den Schuppen B nicht durch eines der großen Tore betreten, sondern durch die normale Tür an der Ostseite. Dort blieb Curt nun stehen und sah sich noch einmal zu dem Buick um.
Wie Curt dort so neben der Wand mit den Hämmern, Heckenscheren, Harken, Schaufeln und dem Pfostenlochbohrer dran stand (das rote » AA « am Griff war keine Abkürzung für » Anonyme Alkoholiker«, sondern für » Arky Arkanian«), wirkte er verärgert, fast böse. » Das habe ich mir nicht eingebildet«, sagte er mehr zu sich selbst als zu Sandy. » Es war kalt. Jetzt nicht mehr, aber eben noch.«
Sandy erwiderte nichts.
» Ich sag dir was«, meinte Curt. » Wenn dieser verdammte Wagen hier noch länger steht, besorge ich für den Schuppen ein Thermometer. Das bezahle ich aus eigener Tasche, wenn’s sein muss. Guck mal! Da hat doch einer den Kofferraum nicht richtig zugemacht. Wer das wohl …«
Er verstummte. Sie sahen einander in die Augen, und beide dachten sie augenblicklich dasselbe: Na, wir sind ja schöne Polizisten.
Sie hatten in dem Buick und auch darunter nachgesehen und dabei ganz die Stelle vergessen, an der – zumindest im Kino – Mörder am liebsten ihre Leichen versteckten.
Die beiden gingen zum Heck des Wagens und betrachteten die dunkle Ritze zwischen Karosserie und Kofferraumdeckel.
» Mach du das, Sandy«, sagte Curt. Er sprach so leise, dass Sandy ihn kaum verstand.
Sandy wollte es nicht, sah aber ein, dass er es tun musste – Curt war schließlich noch Polizeischüler. Er atmete tief durch und schob dann den Kofferraumdeckel hoch.
Der hob sich viel schneller als erwartet, und es gab ein dumpfes Geräusch, als er ganz aufgeklappt war, so laut, dass die Männer zusammenzuckten. Curt packte Sandys Hand, und seine Finger waren so kalt, dass Sandy fast aufgeschrien hätte.
Das menschliche Gehirn war eine leistungsfähige und oft unzuverlässige Maschine. Sandy war sich derart sicher, dass sie Ennis Rafferty im Kofferraum des Buicks finden würden, dass er ihn für einen Moment tatsächlich dort liegen sah: eine embryonal zusammengekauerte Gestalt, die aussah wie etwas, was ein Mafiakiller im Kofferraum eines gestohlenen Lincoln hinterlassen hatte.
Doch es waren nur einander überlagernde Schatten, was die beiden Trooper da sahen. Der Kofferraum des Buicks war leer. Es war weiter nichts drin als die schlichte braune Matte, auf der kein einziges Werkzeug lag und kein einziger Schmierfleck zu sehen war. Nichts, nicht mal ein Kaugummipapier. Einen Moment lang standen sie schweigend da, und dann kicherte oder schnaubte Curt leise niedergeschlagen. » Komm«, sagte er. » Gehen wir hier raus. Und mach diesmal den Kofferraum richtig zu. Ich war vor Schreck fast gestorben.«
» Ich auch«, sagte Sandy und knallte den Kofferraumdeckel zu. Er folgte Curt zu der Tür neben der Wand mit den Werkzeugen. Curtis sah sich noch einmal um.
» Ist dieses Ding nicht unglaublich?«, sagte er leise.
» Ja«, pflichtete Sandy bei.
» Der Wagen ist nicht geheuer – meinst du nicht auch?«
» Ja, Azubi, das meine ich auch. Aber dein Partner ist nicht da drin. Und er ist auch nicht hier im Schuppen. So viel ist mal klar.«
Curt hatte nichts dagegen, Azubi genannt zu werden. Diese Zeit war für ihn schon fast vorbei, das wussten sie beide. Er betrachtete immer noch den Wagen, der so glatt und kühl und eindrucksvoll dastand. Die Augen hatte er zu blauen Schlitzen zusammengekniffen. » Es ist fast, als würde er reden. Also, das bilde ich mir bestimmt nur ein, aber …«
» Der hupt höchstens.«
» … aber ich kann es förmlich hören.
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