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Der Buick: Roman (German Edition)

Der Buick: Roman (German Edition)

Titel: Der Buick: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Junge vermisste seinen Vater nicht nur; er war auch wütend auf ihn, weil er gestorben war. In dieser Stimmung hätte er das, was sie getan hatten, vielleicht als Diebstahl angesehen, und das hätte nicht der Wahrheit entsprochen.
    Zumindest nicht der ganzen Wahrheit.
    Ned hob eine Hand, und ich verstummte, was für mich wirklich eine Wohltat war – ich hatte eigentlich gar nicht auf diese lange zurückliegende Versammlung kommen wollen.
    » Willst du damit sagen, dass kein einziger Wissenschaftler dieses Ding je untersuchen durfte, seit Trooper Rafferty und mein Vater es entdeckt haben?«, sagte er. » Kein einziger? Keine Physiker, keine Chemiker? Das hat nie jemand spektrographisch untersucht?«
    » Bibi war noch ein paarmal da«, sagte Phil und klang dabei nur ein ganz klein bisschen defensiv. » Aber allein, ohne seine Kinder, die er sonst immer dabeihatte. Einmal haben Bibi, Tony und dein Vater so ein Gerät da reingeschoben … das war vielleicht ein Spektrograf. Aber wenn es einer war, weiß ich nicht, was er angezeigt hat. Du, Sandy?«
    Ich schüttelte den Kopf. Es war niemand mehr da, der diese Frage hätte beantworten können. Diese und viele andere. Es war niemand mehr da, der hätte erzählen können, was für Experimente durchgeführt wurden und welche Ergebnisse sie gebracht hatten. Bibi Roth war 1998 an Krebs gestorben. Curtis Wilcox, der oft mit einem Notizbuch in der Hand um den Buick herumgegangen war, sich etwas aufgeschrieben und manchmal auch etwas skizziert hatte, war ebenfalls tot. Und Tony Schoondist, der alte Sarge, war, mit Mitte siebzig, zwar noch am Leben, fand aber nicht mehr zurück aus der Hölle geistiger Umnachtung, die Menschen mit Alzheimer vorbehalten ist. Ich erinnere mich an einen Besuch bei ihm, gemeinsam mit Arky Arkanian, in dem Pflegeheim, in dem er jetzt lebte. Das war letztes Jahr, kurz vor Weihnachten. Ich erinnere mich daran? Mein Gott, wie sollte ich das auch vergessen? Arky und ich brachten ihm eine goldene Christopherus-Medaille mit, für die ein paar von uns Älteren zusammengelegt hatten. Mir kam es so vor, als hätten wir den alten Sarge an einem seiner besseren Tage erwischt. Er öffnete die Schachtel ohne große Mühe und schien sich sehr über die Medaille zu freuen. Er machte sogar ganz allein den Verschluss auf, aber dann rutschte er ihm weg, und Arky musste ihm helfen. Als das schließlich geschafft war, sah mich Tony sehr aufmerksam an, die Augenbrauen zusammengekniffen, und seine trüb blickenden Augen brachten nur noch einen Abklatsch seines früher so durchdringenden Blicks zustande. Für einen Moment schien er tatsächlich er selbst zu sein. Dann traten ihm Tränen in die Augen, und die Illusion verflog.
    » Wer seid ihr?«, fragte er. » Fast kann ich mich dran erinnern.« Und dann, so sachlich, als würde er über das Wetter sprechen: » Ich bin in der Hölle, wisst ihr. Das hier ist die Hölle.«
    » Ned, weißt du, ob dein Vater irgendwelche Notizbücher hinterlassen hat?«, fragte ich. » Solche mit Spiralheftung, wie Schulkinder sie haben?«
    Da guckte Ned verkniffen. Er senkte den Kopf und sprach zu einer Stelle irgendwo zwischen seinen Knien. Ich glaube, in diesem Moment wollte er uns nicht ins Gesicht sehen. » Ja, jede Menge. Auch gebundene Notizbücher, von denen meine Mama gesagt hat, das wären wahrscheinlich Tagebücher. Aber in seinem Testament hat er Mama gebeten, alle seine privaten Papiere zu verbrennen, und das hat sie getan.«
    Huddie setzte empört an: » Sie hat sie verbrannt … «
    Ich gab ihm ein Zeichen, er solle schweigen, und, o Wunder, er schwieg.
    » Und ich glaube auch nicht, dass sie vorher in ihnen gelesen hat«, sagte der Junge und sah dabei weiter zu Boden. » Ich glaube, sie hatte Angst davor, was sie da vielleicht finden würde.«
    Damit war das also erledigt. Sämtliche Aufzeichnungen, die er vielleicht gemacht hatte, Berichte über Experimente und so weiter, waren futsch. Und vielleicht waren diese Experimente ja sowieso idiotisch gewesen. Sie waren schließlich Polizisten und keine Wissenschaftler.
    » Tja, das passt wohl ins Bild«, sagte Huddie. Jetzt klang er eher resigniert als wütend. » Wenigstens passt es zu dem, was ich über Curt und den alten Sarge weiß.«
    Ned sah ihn an.
    » Die beiden haben den Wissenschaftlern nicht getraut«, sagte er. » Weißt du, wie Tony die immer genannt hat? Die großen Giftversprüher. Er hat gesagt, ihr einziges Lebensziel wäre es, überall Gift zu versprühen und den

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