Der Buick: Roman (German Edition)
Aufregung und die maßlose Neugier, die er mit Curt teilte, diesen pochenden Unterton, der besagte: Ja, ist denn das zu fassen? Sandy hörte das und erkannte es als das, was es war, empfand aber selbst nichts dergleichen, kein Fünkchen Neugier. Und den anderen ging es wohl genauso. Sie wussten um ihre Pflicht, den Buick zu bewachen, aber nur Curt und Tony verspürten auch eine Pflicht – oder vielleicht eher einen inneren Zwang –, ihn zu erforschen .
» Alle, die im Dienst sind, hören mir jetzt zu«, sagte Tony. Er hatte sein übliches, leicht schiefes Grinsen aufgesetzt, aber Sandy fand, dass es an diesem Abend etwas gezwungen wirkte. » Wir haben Brände in Statler, Überschwemmungen in Leesburg und eine Serie von Raubüberfällen auf Piggly-Wiggly-Läden in Pogus County; vermutlich stecken die Amish dahinter.«
Das brachte ihm einige Lacher.
» Worauf wartet ihr also noch? Gehet hin, meine Kinder! Ja, wahrlich, ich sage euch: Fasset die Missetäter und bringt sie zur Strecke!«
Es folgte ein allgemeiner Aufbruch der Trooper, die Dienst hatten, und dann das Aufdröhnen von Chevrolet-Achtzylindermotoren. Die Männer, die freihatten, standen noch kurz vor dem Schuppen herum, aber es musste ihnen niemand sagen, dass sie weitergehen sollten – bitte weitergehen, kommt, Jungs, hier gibt’s nichts mehr zu sehen. Sandy fragte den Sarge, ob er auch wieder aufbrechen sollte.
» Nein, Trooper«, sagte Tony. » Du bleibst bei mir.« Dann ging er forschen Schritts zur Schuppentür und blieb dort nur kurz stehen, um sich den Inhalt von Sandys Karton anzusehen: eine Polaroidkamera inklusive Reservefilm, eine Elle, Gummihandschuhe und Plastiktüten. Aus der Küche hatte Sandy auch noch ein paar grüne Plastikmüllbeutel mitgebracht.
» Gute Arbeit, Sandy.«
» Danke, Sir.«
» Bist du bereit?«
» Ja, Sir.«
» Hast du Angst?«
» Ja, Sir.«
» So viel Angst wie ich oder nicht ganz so viel?«
» Das weiß ich nicht.«
» Ich auch nicht. Aber ich habe Angst. Und zwar nicht zu knapp. Fang mich auf, wenn ich ohnmächtig werde.«
» Fall einfach nur in meine Richtung.«
Tony lachte. » Komm. Immer nur rein in die gute Stube, sagte die Spinne zu der Fliege.«
Ob sie nun Angst hatten oder nicht – die beiden ermittelten ziemlich gründlich. Gemeinsam erstellten sie einen Lageplan vom Innern des Schuppens, und als Curt Sandy später deswegen lobte, nickte Sandy und meinte auch, das sei gute Arbeit gewesen. Gut genug sogar, um damit vor Gericht zu bestehen. Trotzdem waren viele Striche darauf ein wenig krakelig. Ihnen zitterten fast von dem Moment an die Hände, als sie den Schuppen betraten, und das hörte erst wieder auf, als sie wieder draußen waren.
Sie machten den Kofferraum auf, weil er offen war, als Arky in den Schuppen geschaut und das Ding in der Ecke entdeckt hatte, und obwohl er genauso leer war wie zuvor, schossen sie Polaroidfotos davon. Ebenso knipsten sie das Thermometer (das mittlerweile ganze einundzwanzig Grad anzeigte), vor allem weil Tony meinte, Curt würde bestimmt gern ein Bild davon haben. Und dann fotografierten sie den Kadaver in der Ecke, und zwar aus jedem nur erdenklichen Blickwinkel. Sämtliche Polaroidbilder zeigten dieses eine unbeschreibliche Auge. Es schimmerte wie frischer Teer. Als er sich darin gespiegelt sah, war Sandy Dearborn zum Schreien zumute. Und alle zwei, drei Sekunden sah sich einer von ihnen zu dem Buick Roadmaster um.
Als sie mit den Fotos fertig waren – bei einigen hatten sie die Elle neben den Kadaver gelegt –, schüttelte Tony einen Müllsack auf. » Hol eine Schaufel«, sagte er.
» Willst du das nicht hier lassen, bis Curt …«
» Trooper Wilcox kann sich das auch unten im Lager angucken«, sagte Tony. Seine Stimme klang eigenartig angespannt, fast erstickt, und Sandy wurde klar, dass sich Tony mit aller Macht gegen eine Übelkeit wehrte. Sandys Magen geriet, vielleicht aus Mitgefühl, ebenfalls etwas ins Schlingern. » Da kann er’s sich dann nach Herzenslust ansehen. Und dieses eine Mal muss ich mir keine Sorgen darum machen, dass wir die Beweiskette durchbrechen, denn hiervon wird nie ein Staatsanwalt erfahren. Aber erst mal räumen wir diese Scheiße weg .« Er brüllte nicht, klang aber ein klein wenig verärgert.
Sandy nahm eine Schaufel von der Wand und schob das Schaufelblatt unter das tote Wesen. Die Flügel gaben ein bröckelndes, irgendwie entsetzliches Rascheln von sich. Dann klappte einer zur Seite und entblößte eine schwarze,
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