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Der Buick: Roman (German Edition)

Der Buick: Roman (German Edition)

Titel: Der Buick: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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sagte Sandy. » Du hast uns eine Heidenangst eingejagt, Phil. Erst warst du noch ganz normal, aber dann hast du angefangen zu schreien und dich zu winden und zu sträuben. Ich hab schon damit gerechnet, dass du blutest oder blau im Gesicht bist. Aber dann hattest du bloß … tja.« Mit einer kleinen Handbewegung forderte er mich auf weiterzuerzählen.
    » Ich hatte die Blätter. Jedenfalls das, was noch davon übrig war. Als ich ausgerastet bin, muss ich wohl die Fäuste geballt haben, klar? Ich hab fest zugedrückt. Und als ich dann draußen war, hab ich gemerkt, dass meine Hände ganz nass waren. Die Leute haben geschrien: Alles in Ordnung mit dir? und Was ist da drin passiert, Phil? Ich knie da, mein Hemd ist hochgezogen bis zum Hals, mein Bauch ist aufgeschürft vom Rausziehen, und ich denke: Meine Hände bluten. Ich bin damit über den Beton geschleift, und jetzt bluten sie. Deshalb sind sie so nass. Und dann sehe ich diese weiße Schmiere. Sah aus wie dieser Kleister, den man in der Schule in der ersten Klasse kriegt. Das war alles, was von den Blättern noch übrig war.«
    Ich hielt inne und dachte darüber nach.
    » Und jetzt erzähl ich dir mal die Wahrheit, ja? Es sah überhaupt nicht wie Kleister aus. Es war, als hätte ich beide Hände voll Stiersperma. Und es hat scheußlich gestunken. Ich weiß auch nicht, wieso. Du kannst natürlich sagen: Ein bisschen Pfefferminze und Kohl – was ist schon dabei? Und damit hättest du recht, dann aber auch wieder nicht. Denn dieser Gestank war mit nichts zu vergleichen. Ich hatte so was jedenfalls noch nie gerochen.
    Ich hab mir die Hände an der Hose abgewischt und bin in die Kaserne, in den Keller. Brian Cole kam gerade von dem Klo da unten. Er hatte Schreie gehört und wollte sehen, was los war. Ich achte überhaupt nicht auf ihn, renne ihn fast über den Haufen, so schnell will ich da rein. Ich wasche mir die Hände und wasche sie mir immer noch, als ich plötzlich wieder dran denken muss, wie das ausgesehen hat, als mir diese wichseweiße Laubschmiere aus den Fäusten getropft ist, und wie warm und weich und irgendwie glatt sie war und wie es Fäden gezogen hat, als ich die Hände aufgemacht hab. Und das war’s dann. Der Gedanke, wie es Fäden gezogen hat zwischen dem Handteller und den Fingerspitzen. Da hab ich losgekotzt. Aber das war nicht so, wie wenn einem das Essen wieder hochkommt. Es war, als ob der Magen selbst mit hochkam, bis in die Kehle, und mir alles aus dem Mund kippt, was ich in letzter Zeit geschluckt hatte. Wie meine Ma früher immer das Spülwasser übers Verandageländer gekippt hat. Ich will nicht in die Einzelheiten gehen, aber du musst das wissen, wenn du das verstehen willst. Das war nicht wie Kotzen, das war wie Sterben. Das einzige Mal, dass ich so was noch einmal erlebt hab, das war, als ich meinen ersten Verkehrstoten gesehen habe. Ich komme da hin, und erst denke ich, da liegt ein Laib Weißbrot auf der gelben Straßenmarkierung auf dem alten Statler Pike. Und dann sehe ich, dass es die obere Hälfte eines Jungen ist. Ein kleiner Junge mit blondem Haar. Und dann sehe ich da diese Fliege auf der Zunge des Jungen. Sie putzt sich gerade die Beine. Das war zu viel. Ich hab gedacht, ich kotz mich tot.«
    » Das ist mir auch schon passiert«, sagte Huddie. » Wegen so was muss man sich nicht schämen.«
    » Ich schäme mich auch nicht«, sagte ich. » Ich will bloß, dass er das versteht, klar?« Ich atmete tief ein und genoss die gute Luft (keine Pfefferminze und auch kein Kohl). Dann lächelte ich den Jungen an. » Na ja, zum Glück ist das Klo gleich neben dem Waschbecken, und meine Schuhe und der Boden haben kaum was abgekriegt.«
    » Und letztlich, war’s das dann auch mit diesen Blättern«, meinte Sandy. » Sie sind geschmolzen wie die Hexe im Zauberer von Oz . Eine Zeit lang konnte man im Schuppen B noch Spuren davon sehen, aber ein paar Wochen später waren da nur noch kleine Flecken auf dem Betonboden. Gelblich und ganz blass.«
    » Ja, und die nächsten paar Monate hab ich mir zwanghaft die Hände gewaschen«, sagte ich. » An manchen Tagen konnte ich kein Essen anrühren. Wenn mir meine Frau Brote eingepackt hat, hab ich die beim Essen mit ’ner Serviette gehalten und hab mir den letzten Bissen aus der Serviette in den Mund geschüttelt, um bloß nichts davon mit den Fingern zu berühren. Wenn ich ganz allein in meinem Streifenwagen saß, hab ich auch schon mal mit Handschuhen gegessen. Und die ganze Zeit hab ich geglaubt,

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