Der Bund der Drachenlanze - 08 Michael Williams
gleichgültig wie der Wind
oder das plötzliche Umschlagen der Jahreszeiten – landete
die Waffe auf dem Rücken der Spinne. Es gab ein Geräusch, als wenn nasse Zweige brächen.
Cyrens Beine knickten unter ihm ein. Betäubt taumelte er
von seinem schrecklichen Gegner weg. Seine Beine wackelten unkontrolliert; dünne Webfäden rannen aus seinen pulsierenden Spinndrüsen. Mit einem Aufschrei fuhr er herum, rollte sich vor Qual über den Boden und humpelte
dann eilig von der Lichtung.
Mara war augenblicklich aus dem Sattel gesprungen.
Während sie über den von Zweigen übersäten Waldboden
rannte, sprang sie zwischen Bäumen und Schatten hin und
her, immer auf der verzweifelten Suche nach ihrem verwandelten Geliebten. Im Nu waren Spinne und Mädchen
verschwunden, und auf der Lichtung herrschte unvermittelt wieder Stille. Einmal oder zweimal hörte man Mara in
der Ferne nach Cyren rufen.
Sturm setzte sich wieder in den Sattel. Er zog seine Waffe.
»Wer du bist«, rief er und hob sein Schwert, »interessiert
mich nicht mehr. Ebensowenig wie deine Herkunft, dein
Land oder deine Absicht.«
Der Ritter auf der anderen Seite des Wassers saß reglos
im Sattel.
»Denn jetzt«, fuhr Sturm mit gestiegener Zuversicht fort,
»gibt es nichts mehr zu bereden oder nachzudenken. Du
hast einen meiner Gefährten verletzt. Und wenn ich auch
unsicher war – bei Paladin und bei Huma und bei Vinas
Solamnus, jetzt bin ich es nicht mehr! Denn ich weiß wenig
vom Wald vom Reisen, aber ich kenne Kodex und Maßstab. Und der Orden der Rose mißt sich an Taten voll
Weisheit und Gerechtigkeit. Und ein Ritter der Rose soll
dafür sorgen – mit Wort und Tat und Schwert, wenn es
dazu kommt –, daß kein Leben verschwendet oder vergeblich geopfert wird.«
Der Riese sagte nichts, sondern stieg langsam und
schwerfällig ab. Der Hengst, der von seinem gewaltigen
Reiter befreit war, schnaubte und rannte in den Wald davon, als der Krieger wieder mit hocherhobener Keule regungslos stehenblieb. Ganz oben an der Keule glitzerten
drei lange, schwarze Dornen bedrohlich im verschleierten
Sonnenlicht.
Auch Sturm stieg rasch ab. Er griff über Luins Rücken
und warf das schwere Bündel mit Schild und Brustharnisch
auf den Waldboden. Unter dem maskierten Blick des Riesen legte er die Rüstung seiner Vorfahren an und watete,
etwas gebückt unter dem ungewohnten Gewicht, mit gezogenem Schwert durch das Wasser. Die frisch geschmiedete
Klinge glänzte im Licht, und als Sturm aus dem Teich stieg,
streckte er die Klinge der Gestalt, die sich über ihm auftürmte, zum uralten solamnischen Salut hin.
Sturm konnte nur noch den Schild heben.
Die Wucht des Keulenschlags ließ den Jungen in die Knie
gehen, und einen Augenblick schwanden ihm auch die
Sinne. Er glaubte, er wäre im Wirtshaus »Zur letzten Bleibe« und die Augen von Caramon und Raistlin und seiner
Mutter würden in den grünen Tiefen der Blätter glitzern.
Benommen schüttelte Sturm den Kopf. Im Augenwinkel
sah er etwas und riß den Schild wieder hoch, als ihn der
zweite Schlag traf.
Mit knirschender, krachender Rüstung rutschte er im
Matsch aus, als er unsicher ins Wasser zurückwich. Doch
sein Feind blieb genau vor ihm stehen. Er sprach in einer
merkwürdigen Sprache, die weniger aus Worten bestand,
sondern vielmehr aus dem Seufzen des Windes in den
Zweigen und dem knisternden Flüstern trockener Blätter.
»Versagt«, schien der Riese zu sagen. »All die Meilen, all
die Jahre, all die Wagnisse in hohler, giftiger Finsternis,
und du hast versagt, ja, über deine schlimmsten Befürchtungen hinaus, und wegen dieser Befürchtungen.«
Das Visier seines Helms fiel plötzlich zurück, und unter
diesem Visier war kein Gesicht, sondern ein dunkles, konturloses Stück Holz und Eichenrinde. Dann schlängelten
sich aus der Halsberge, den Armschienen und den Beinschienen ein Dutzend, dann zwei Dutzend Zweige, die sich
teilten und verschlangen und mit peitschenden Bewegungen nach Sturm griffen, während sie rasch weiterwuchsen.
Aus dem Rand des Helms, der mit dem schrillen, durchdringenden Geräusch von zerrissenem Metall zersprang,
brach eine Baumkrone. Sturm sprang erschrocken zurück
und versuchte, im knöcheltiefen Wasser sein Gleichgewicht
zu behalten. Der Baum trat vor.
»Du wirst mich nie besiegen«, sagte seine Stimme jetzt
deutlich, als der Krieger sich erhob und streckte. Seine Füße verwurzelten schnell in der Erde, doch seine vierzig
Arme streckten und bewegten
Weitere Kostenlose Bücher