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Der Bund der Drachenlanze - 08 Michael Williams

Der Bund der Drachenlanze - 08 Michael Williams

Titel: Der Bund der Drachenlanze - 08 Michael Williams Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Siegel des Verraters
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helle Spirale der Mishakal. Jack lächelte.Es war
später am Morgen oder an einem Morgen bald darauf, als
Sturm mitten im Wald erwachte. In voller Rüstung lag er
neben einem träge fließenden Bach, an einem seltsamen,
einsamen Ort, den er noch nie gesehen hatte. Ranken,
Schlingpflanzen und Dornengestrüpp umwucherten ihn,
und das Blattwerk um ihn herum war völlig unberührt, als
hätte man ihn vorsichtig von weit oben an diesen Ort gelegt.
Er rieb sich die Augen und stand auf. Es dauerte einen
Augenblick, bis er merkte, daß er sich anders bewegte. Er
hatte wieder Kraft in der Schulter. Überrascht betrachtete
er seine Hände, die gerötet wie früher und nicht mehr grün
waren.
»Träume…«, murmelte er und betastete seine Schulter.
Die Haut war weich und zeigte keine Narbe, und sein Arm
ließ sich bewegen und war völlig geheilt.
»Wann hören die Träume auf?« fragte er sich und bahnte
sich mühsam einen Weg durch das Dickicht.
Den ganzen Tag wanderte Sturm Feuerklinge mit wachsender Erregung durch den Südlichen Finsterwald. Er erinnerte sich an die Worte des Herrn der Wildnis am Julfest:
»Triffst du mich nicht am genannten Ort zur genannten
Zeit, so ist deine Ehre für immer dahin.« Und so suchte er
nach Vertumnus, doch sein Eifer verwandelte sich in Verwirrung, als ihn alle Pfade, die er beschritt, auf die Ebene
von Lemisch führten, wo er nördlich vom Rauch und den
geduckten Hütten von Dun Ringberg herauskam. Wie ein
von einem eigenwilligen Förster ersonnener Irrgarten führte ihn jeder Pfad zu derselben Stelle zurück, und jedesmal
staunte Sturm, daß der Pfad, der aus dem Wald kam, anders aussah, als der vorherige.
Er verbrachte die Nacht am Waldrand. Die Bäume schienen vor seinem kleinen Lagerfeuer zurückzuschrecken,
und am Morgen stellte er fest, daß sich entweder sein Lager
bewegt hatte oder der Wald zurückgewichen war, denn es
lag gut hundert Schritt von seinem ursprünglichen Ort entfernt.
Durcheinander und immer noch etwas schlaftrunken
ging er zum Wald, doch der Pfad war verschwunden. Jeder
kurze Ausflug in den Wald führte ihn an dieselbe Stelle
zurück, und allmählich dämmerte ihm, daß der Wald selbst
ihn zurückwies. Gleich, welche Richtung er einschlug, bald
stände er wieder auf der Ebene.
»Die erste Frühlingsnacht ist vorüber«, sagte sich Sturm
mit wachsender Verzweiflung, als ein weiterer Pfad in den
Wald ihn zu seinem Lager zurückführte. »Ich habe meine
Verabredung mit dem Herrn der Wildnis versäumt. Ich
habe mein Gelübde gebrochen.«
Und doch lebte er. Die Wunde in seiner Schulter war
nicht auf geheimnisvolle, tödliche Weise »aufgeblüht«.
Nein, wenn er seine Schulter untersuchte, fand er keine
Spur mehr von der Wunde – nur ein ganz leises, unbehagliches Gefühl, wenn seine Finger zu fest auf die Stelle
drückten.
Etwas sagte ihm, daß die Mühen nicht vorbei waren, daß
er den Herrn der Wildnis treffen würde, wenn er noch ein
wenig länger suchte. Er beschirmte die Augen mit der
Hand und starrte erst an der dicken, undurchdringlichen
Grenze aus Bäumen und Dornen entlang nach Norden und
Süden, um sich dann auf den Weg nach Dun Ringberg zu
machen.
»Von allen Orten, die ich kenne«, flüsterte er, nachdem er
sein Schwert wie eine Pike an die Schulter gelegt hatte, »bin
ich in diesem Dorf wohl am wenigsten willkommen, aber
bestimmt liegt dort der Schlüssel zu diesem Geheimnis.«
Kapitel 9
Die Umkehr
    Lange ehe er die nähere Umgebung des Dorfs erreicht hatte, verlor Sturm den Rauch und die flackernden Lichter aus
den Augen, die er von Norden her gesehen hatte. Er versuchte, seiner Erinnerung zu folgen, wartete verzweifelt
auf Vertumnus’ leitende Musik, doch im Wald war es still
bis auf die gelegentlichen Vogelrufe. Gerade als er glaubte,
er würde Dun Ringberg niemals finden, gelangte er über
eine Anhöhe direkt an den Rand der Siedlung.
    Der Ort sah völlig verändert aus, als hätte etwas Großes,
Namenloses fürchterlich Rache an diesem Flecken genommen. Hütten und Schuppen neigten sich gefährlich schief,
weil sie von Schlingpflanzen, ausschlagenden Bäumen und
dem hartnäckigen Druck herankriechenden Unterholzes
von ihren Grundmauern gedrückt wurden. Dun Ringberg
war bis zu den Spitzen der Dächer ergrünt.
    Sturm wanderte durch einen Dschungel aus Blättern und
Häusern, im Ohr das zornige Summen von Insekten, seine
Nase durch den scharfen Geruch des Immergrüns und den
zarten Duft der Blumen abgelenkt.

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