Der Bund der Drachenlanze - 12 Tina Daniell
karmesinrot
bleiben könnte, wenn man ein paar Teppiche darauf legte –
bei Nacht würde er vom Boden sowieso nicht viel sehen –,
doch die Wände müßten eine ordentliche Farbe wie Orange
haben, während die Decke eine richtig böse Farbe wie Mitternachtsschwarz bekommen sollte.
Weil die beiden Minotaurenwachen ihre Sache bei den
ersten beiden Malen so gut – oder auch so schlecht – gemacht hatten, wurden sie nochmals ausgewählt, Tolpans
Zimmer neu zu streichen.
Alle Minotaurenwachen beschwerten sich untereinander
bitterlich über Tolpan. Warum oder wann auch immer sie
das Zimmer des Kenders betraten, höchstwahrscheinlich
traf sie ein Wurfgeschoß, oder sie wurden von hinten gepiekst, oder sie stolperten über einen Draht, der quer
durchs Zimmer gespannt war. Beleidigungen – die
schlimmsten Beleidigungen, die Tolpan sich ausdenken
konnte, nämlich Vergleiche mit dummen Kühen und
Hornochsen – ergossen sich ununterbrochen über sie. Das
Essen wurde zurückgewiesen und ihnen ins Gesicht geworfen.
Dogz, der einzige Minotaurus, dem es gelang, weder gestochen noch beleidigt zu werden, erinnerte sich traurig
daran, wie nett der gute alte Tolpan gewesen war, ehe er
böse geworden war.
»Tolpan Barfuß ist ein geschätzter Gefolgsmann des
Nachtmeisters«, hatte Fesz erklärt. Und die Minotaurenwachen wagten keine Widerrede.
Für Fesz war Tolpans feindseliges, aggressives Verhalten
der eindeutige Beweis, daß der Kender böse geworden war.
Und falls sein boshaftes Verhalten nicht Beweis genug war,
darüber hinaus hatte Tolpan höchst bereitwillig Fesz eine
Menge über diesen dünnen, intelligenten Zauberer aus Solace erzählt, der ihn nach Südergod geschickt hatte, um von
einem kräuterkundigen Minotauren das seltene Jalopwurzpulver zu kaufen.
Tolpan erzählte Fesz auch alles über seine guten Freunde, Flint und Tanis, den Halbelfen und seinen Onkel Fallenspringer, und wie er, Tolpan, beinahe mal mit einer
Hand ein Wollmammut gefangen hätte. Er erzählte ihm
von Sturm und Caramon, den Armen, deren Leichen inzwischen bestimmt am Grunde des Blutmeers von den Fischen gefressen wurden. Ein Glück, daß er die blöden Kerle
los war, denn sie waren ehrenhaft und rein gewesen und
hätten nicht in die neuen Anschauungen des Kenders gepaßt, denen zufolge die Welt dazu da war, überrannt, zerquetscht und erobert zu werden.
Der Kender redete richtig gern von seinen Freunden –
»Exfreunden«, wie er sich manchmal korrigierte. Besonders
gern redete er über den Zwerg, Flint Feuerschmied. Er redete so gerne über Flint, daß Fesz manchmal einen Arm um
den Kender legen und ihn behutsam zu dem Thema
Raistlin Majere zurücksteuern mußte, dem Feind der Minotaurenrasse und deshalb, wie Fesz ihn erinnerte, dem Feind
von Tolpan.
Raistlin Majere war es, der Fesz am meisten interessierte.
Dieser Mensch, der Zauberer werden wollte und der das
Jalopwurzpulver gewollt hatte, weil er in einem alten
Schriftstück auf einen Zauberspruch gestoßen war.
»Oh, Raistlin ist sehr schlau, ehrlich«, erzählte Tolpan
Fesz. »Ein ziemlich guter Zauberer, wenn man bedenkt,
daß er die Prüfung noch nicht abgelegt hat, aber frag’ mich
nicht, was die Prüfung ist, denn das ist etwas höchst Geheimes, und auch wenn ich mehr darüber weiß als fast jeder andere, verknote ich mir die Zunge, wenn ich nur versuche, es zu erklären. Falls Raistlin herausgefunden hat, wo
die Jalopwurz hin ist – also wo ich bin, hier in der Minotaurenstadt –, dann ist er bestimmt schon auf dem Weg hierher. Er will das Pulver bestimmt wiederhaben, und wahrscheinlich will er mich auch retten – hah! Bestimmt kommen Tanis und Flint auch mit. Mann, Flint wird einen Riesenspaß daran haben, wie böse ich bin, bis ich ihn umbringe!
Aber du hast recht, Fesz. Die eigentliche Gefahr ist
Raistlin. Ich glaube, wir beide sollten uns lieber ausdenken,
wie wir ihn fangen und würgen und erstechen. Und dann
können wir vielleicht noch etwas richtig Böses mit seinem
toten Körper anstellen, zum Beispiel – ich weiß nicht. Du
hast mehr Erfahrung als ich in solchen Dingen. Was
schlägst du vor?«
Wenn der Kender wirklich aufgeregt war – wie jetzt –,
lief er im Kreis und wippte dabei mit einem unmiß
verständlich breiten, bösen Grinsen hin und her. Dann war
Fesz hochzufrieden. Außerdem war das gewöhnlich die
passende Zeit, dem Kender eine neue Dosis von dem Trank
zu verabreichen, der ihn böse bleiben lassen würde, solange Tolpan ihn
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