Der Bund der Drei
du sitzt auf dem Steuerrad, als ob du selbst fahren wolltest !« Alles Weitere ging in einem ohrenbetäubenden Gebrüll unter. Ein Radfahrer — sowieso einer von Cockis Urfeinden — kam vorbei und hatte nun gar noch hinten auf dem Rad ein Körbchen und in diesem Körbchen eine Hundemischung sitzen, die einen außerordentlich besorgten und unglücklichen Eindruck über diese Art des Transportes machte. Die Ohren gellten mir, auf der linken Seite schrie Peter, auf der rechten Cocki. Außerdem wurde wild herumgefuhrwerkt und gegen die Scheiben gesprungen. Peter fiel dabei vom Stengel, verhedderte sich unten teils in meine Beine, teils in die Handbremse und stieß sicherheitshalber ein markerschütterndes Wehgeschrei aus.
»Ein entzückender Ausflug«, schrie ich zu Frauchen hinüber. Damit packte ich den Vierzigpfünder auf meinem Schoß und wälzte ihn zunächst kopfüber nach hinten. Er plumpste auf den Hintersitz und brummelte wütend. Eine Sekunde später flog Weffi hinterher, und es gab zwischen den beiden ein kurzes, heftiges Gekeife. Dann zerrte ich das jammernde Fliegenbein aus der Tiefe und feuerte es ebenfalls nach hinten.
Die Maschine sprang an, und wir fuhren weiter.
Langsam stieg das Land nun weiter an. Ab und zu brach aus Feldern und Wiesen ein nackter Fels; und dann, auf der nächsten Welle, hielten wir an, denn vor uns breitete sich plötzlich das ungeheure Panorama der Alpen: aus zottigen Waldmänteln aufschießend grauer Stein, gefaltete Wände, schroffe Zacken, Türme, Pyramiden, die Spitzen von Wolken umbrodelt, manchmal auch frei und eine schimmernde Fläche ewigen Eises zeigend.
»Es ist immer wieder wie ein Traum...«, sagte meine Gefährtin.
Das letzte Dorf glitt vorbei, ärmlich, in karger Höhe. Die Serpentinen zum Paß hinauf wurden von Muckelchen mit Schwung genommen.
»Du sollst sehen«, sagte ich stolz, »es schafft’s im dritten Gang !« Im gleichen Augenblick aus Weffis Schnute: »Weffrrrrrr!« Hinten Tumult. Das gellende Gekläff Weffis, das hohe Pfeifen Peters und nun, alles übertönend an meinem linken Ohr: Cockis Gebrüll! Am Ende der Kurve war eine Kuh aufgetaucht. Sie stand dort quer über dem Weg und blinzelte uns geruhsam mimmelnd entgegen. Meine Drei taten, als ob sie sie zerreißen wollten. Aus Cockis dicken Lefzen quoll der Geifer, Peterchens schmutzigbrauner Bart war voller Spucke, die Augen starr und wild. Weffi stieß zwar aus Leibeskräften weiter in seine Blechtrompete, aber während die beiden anderen die Kuh funkelnd im Auge behielten, wanderten seine braunen Äugelchen in tiefer Ruhe rundherum, und er stieß seine Fanfarentöne nach allen Richtungen: mal in mein rechtes Ohr, daß ich den heißen Atem aus seinem albernen Schnabel mitbekam, mal in Cockis und Peters Ohren, die dann immer einen Moment betäubt stillschwiegen. Ich bremste dicht vor der Kuh. »Bist du jetzt ruhig !« schrie ich verzweifelt und packte Weffis Fellbärtchen. Er kugelte über die Vorderlehne auf Frauchens Schoß, ich bekam einen Tritt in den Mund. Frauchen fiel die Sonnenbrille herunter, aber ganz plötzlich trat Stille ein. Die Kuh hatte sich mit nonchalant schlenkerndem Euter gedreht und war auf unsere von Geschrei erfüllte Blechkiste zugewandert. Jetzt erschien ihr gehörnter Kopf riesengroß im Fenster, und ihr Maul schob sich in den Wagen. Ein intensiver Duft nach Milch und Heu fuhr über mein Gesicht, ich kraulte sie unter dem Maul, während mich riesige dunkle Augen unter langen Wimpern ruhig betrachteten und zwei lange Spuckefäden gemächlich auf mein Hosenbein tropften. Schließlich holte sie eine dicke rauhe Sandpapierzunge hervor und fuhr mir damit über die Nase.
Währenddessen waren meine drei kühnen Ritter mäuschenstill. Ich drehte mich nach ihnen um. Peter war ganz nach hinten gerückt; am liebsten wäre er in das Polster hineingekrochen, die Augen riesengroß, die spitzen Haifischzähne in stummer Abwehr entblößt. Der Dicke hatte sich zwischen die beiden Sitze nach unten plumpsen lassen und stellte sich tot. Weffi saß, am ganzen Körper schlotternd, unmittelbar vor dem Kuhkopf, hatte den Kastenbart gegen das andere Fenster zu gedreht und sah geflissentlich hinaus: ich seh dich nicht, du siehst mich auch nicht!
Auf den mageren Rücken der Kuh knallte ein Stock. Ein Hütebub, der ihr knapp bis zum Bauch reichte, war aufgetaucht: »He«, schrie er, »wirst du wohl !« Und siehe da, der Riesenkopf verschwand aus dem Fenster, die Kuh drehte sich um und trabte den
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