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Der Bund der Illusionisten 1

Der Bund der Illusionisten 1

Titel: Der Bund der Illusionisten 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larke Glenda
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jetzt, Euch die Augenbinde wieder umzulegen…«
    Ich riss meinen Arm weg und fauchte sie an. » Nein. Ich will nicht, dass meine Sinne noch einmal eingelullt werden. Zeigt mir, wie ich von hier wegkomme.«
    Ihre Augen blitzten, und Wut wallte mit unerwarteter Intensität in ihr auf. » Die Bruderschaft hat hier nur die Macht, die wir ihr zugestehen«, zischte sie. » Allen, die vor das Orakel treten, werden die Augen verbunden. Die Höhle ist Teil des Heiligen Weges. Diesen Pfad darf niemand kennen, der nicht geweiht ist.«
    Â» Also schön.« Ich löste das Ende meines Überwurfs in der Taille und schlang es mir um den Kopf, so dass meine Augen bedeckt waren. » Und jetzt führt mich raus.«
    Sie schwieg einen Moment, dann packte sie mich am Ellenbogen und zog mich hinter sich her. Eine Zeitlang, die sich wie ein ganzes Zeitalter anfühlte, stolperte ich ihr blind hinterher, aber vermutlich waren es nicht mehr als fünf Minuten. Soweit ich erkennen konnte, durchquerten wir die Höhle der Ewigen Flamme und betraten eine Art Tunnel, der irgendwann vor Treppenstufen endete. Wir stiegen hinauf, und das schabende Geräusch erklang wieder. Wir waren zurück im Zimmer hinter dem Heiligtum.
    Ich löste das verknotete Ende meines Überwurfs. Antonia stand vor mir und starrte mich finster an. » Ihr haltet Euch für unberührbar, nur weil Ihr die Bruderschaft im Rücken habt. Aber vor der Göttin seid Ihr nicht mehr als ein sterblicher Atemzug nach dem anderen. Was Ihr seid, kann Euch mit Leichtigkeit entrissen werden, Kamerad Ligea.« Indem sie meinen Titel benutzte, verriet sie, dass sie meinen Status in der Bruderschaft kannte; etwas, das ich vor den Hochgeborenen von Tyr gern verbarg. » Spottet nicht über die Göttin«, fügte sie hinzu, » oder Ihr werdet es bitter bereuen.«
    Â» Das würde mir nicht im Traum einfallen«, erwiderte ich und hielt meine Stimme sorgsam neutral. Ich sollte die Hohepriesterin des Tempels lieber nicht gegen mich aufbringen, wenn ich es irgendwie vermeiden konnte. » Und ich möchte auch nicht das Orakel verspotten. Es hat mir, äh, einigen Stoff zum Nachdenken gegeben.« Tatsächlich war das Orakel beunruhigend genau gewesen, aber ich hatte nicht vor, ihr das zu erzählen. » Ich gehe davon aus, dass nichts von dem, was Ihr und Esme heute erfahren habt, an andere weitergegeben wird.«
    Â» Wir dienen der Göttin. Wir bewahren viele Geheimnisse.«
    Es war nicht das Versprechen, das ich mir erhofft hatte, aber mehr würde ich offensichtlich nicht bekommen. Ich nickte ihr also zu und verließ den Tempel.
    Draußen musste ich die Augen zukneifen, als mich das grelle Licht der Mittagssonne traf. Als ich die Stufen zum Forum Publicum hinunterging, wirbelte mein Geist noch von alldem, was ich gesehen hatte. Die Menschenmenge war mit Beginn der Mittagshitze bereits kleiner geworden. Die meisten Wohlhabenden waren nach Hause gegangen und überließen die Straßen den Sklaven und Armen. Ich allerdings hatte noch etwas zu erledigen.
    Meine vornehme Kleidung lockte Sänftenträger an, die rasch näher kamen und mir ihre Dienste anboten, aber ich winkte sie weg und machte mich zu Fuß auf den Weg. Ich wollte allein und in Ruhe über all das nachdenken, was geschehen war. Ich tauchte in das Labyrinth der Straßen und Gassen ein, die zu den ärmeren Winkeln der Innenstadt führten– zu dem Gebiet, das als Gewirr bezeichnet wurde. Der Übergang von den breiten, gepflegten öffentlichen Plätzen zu den engen Elendsvierteln der Armen geschah abrupt, und der Gestank der offenen Abwasser und des verrottenden Mülls widerte mich an. Die Menschen blieben hinter mir zurück. Die glatten, sauber gefegten Bürgersteige verschwanden zugunsten kleiner Gässchen aus festgetretener Erde, die mit Schlaglöchern übersät waren. Hier gab es keine Marmorfassaden oder von Kletterpflanzen beschattete Innenhöfe. Die Gebäude bestanden aus grob behauenem, bröckeligem Gestein, und die Zimmer waren klein, die Fenster und Türen schmal und armselig, die Bewohner hager und zäh. Dies war das andere, traurigere Gesicht von Tyr. Ich vermutete jedoch, dass jede Stadt dieser Größe dazu neigte, die Aasfresser ebenso anzuziehen wie die Kultivierten. Die meisten von denen, die im Gewirr ein armseliges Leben fristeten, waren keine Bürger von Tyrans; hier fanden

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