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Der Bund der Illusionisten 1

Der Bund der Illusionisten 1

Titel: Der Bund der Illusionisten 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larke Glenda
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oder die unbestimmten Gefühle, die ich bezüglich der Emotionen anderer hatte, als Informationen zu lesen und zu deuten. Es blieb mein Geheimnis, welches Ausmaß meine Fähigkeiten schließlich annahmen, ein Geheimnis, das ich gut hütete. Aemid mochte vielleicht geahnt haben, dass ich ihren Rat nicht befolgte, aber nie hatte sie sich dazu geäußert. Gayed und später Rathrox hatten gespürt, dass ich anders war, dass ich wahrnehmungsfähiger war als andere, aber ich hatte ihnen gegenüber meine Fähigkeiten nie erwähnt, und ich ließ sie nie wissen, wie gut ich wirklich war.
    Auch so kam es mir vor, als wüsste Rathrox einfach zu viel, und jetzt wurde ich wegen meiner Fähigkeiten nach Kardiastan geschickt. Schlimmer noch– auch das Orakel wusste von meinen Fähigkeiten. Was hatte Esme noch über mich gesagt? Mit der Macht, hinter die Fassade zu schauen. Und da sie das so herausposaunt hatte, würden jetzt auch die Tempelautoritäten– Antonia und ihresgleichen– wissen, dass etwas Seltsames an mir war. Verflucht. Je weniger Leute wussten, was ich konnte, umso wertvoller war meine Fähigkeit.
    Ich seufzte. Wie auch immer, mit dem Exil zahlte ich einen bei weitem zu hohen Preis für meine Fähigkeit.
    Ãœber das Durcheinander von Gassen gelangte ich schließlich ins Herz des Gewirrs und zu den Käfigen, die in Tyr als Gefängnis dienten. Verbrecher, die sich eher geringer Vergehen schuldig gemacht hatten, wurden in die Sklaverei verkauft und kamen gewöhnlich nie hierher. Die Käfige waren für die gewalttätigeren Schwerverbrecher bestimmt, für diejenigen, die auf ihre Hinrichtung warteten, für Hochverräter und Rebellen.
    Der Ort verströmte einen ganz eigenen Gestank: Er roch nach Schweiß, Exkrementen, Krankheiten, Schmutz und Hoffnungslosigkeit, verbunden mit einer sauren Fäulnis, die allgegenwärtig zu sein schien. Der brandige Gestank pflegte auch dann noch in meinen Kleidern und meinen Haaren zu kleben, wenn ich diesen Ort längst wieder verlassen hatte. Ich hätte eigentlich daran gewöhnt sein müssen– meine Arbeit führte mich oft genug hierher–, aber dem war nicht so.
    Die Käfige waren wie Hühnerställe auf dem Geflügelmarkt von Tyr aufgestellt– jeweils zwei über- und zwei hintereinander. Sie säumten eine holprige Gasse, deren Boden ständig von dem Dreck aufgeweicht war, der vom Spülen der Käfigböden stammte. Schlackentümpel aus stehender Brühe machten das Gehen zu einem echten Wagnis; in jeder Spalte lauerte Ungeziefer. Bei Nacht und manchmal auch während des Tages kamen einige davon heraus und nährten sich von den Eingesperrten.
    Die Käfige waren unterschiedlich groß. Einige waren so eng, dass ein Erwachsener selbst zusammengekrümmt kaum hineinpasste; andere waren groß genug, um zehn oder zwölf Erwachsene zu beherbergen– was auch der Fall war. Jeder Käfig hatte an allen vier Seiten Gitterstäbe aus Eisen, während der Boden und das Dach aus einer Platte bestanden. Abgesehen von den Gefangenen und uringetränkten Decken waren die Käfige leer. Einmal am Tag wurden sie durchgespült, aber es gab weder eine Privatsphäre noch irgendwelchen Schutz vor dem Wetter, vor Mitgefangenen oder den manchmal feindseligen Passanten. Jetzt, in der Wüstenperiode, wimmelte es dort nur so von Fliegen und Maden, und es stank nach Fieber. In der Schneeperiode dagegen hatten die Eingesperrten es nur der Großzügigkeit der Bevölkerung zu verdanken, die ihnen Decken schenkte, dass sie nicht erfroren.
    Wenn ein Mann oder eine Frau zu einem Jahr in den Käfigen verurteilt wurde, war das in etwa so, als hätte man ihnen gesagt, dass sie eine Verabredung mit dem Vortex des Todes hatten und eine Reise nach Acheron antreten würden. Die Gerichte von Tyr mochten gerecht sein, aber der Strafvollzug wurde von Soldaten geleitet, die degradiert und unehrenhaft entlassen worden waren. Hierin lag eine Ironie, an der Rathrox sich ergötzte. » Wahre Gerechtigkeit findet man in den Käfigen«, sagte er mir einmal, » nicht in den Urteilen, die in den sauberen Gerichtssälen ergehen. Ich verabscheue Männer, die das Gesetz in der Theorie kennen, aber nie ihre lilienweißen Füße beschmutzen würden, um in das Gewirr zu gehen.«
    Ich beachtete die Käfige im Augenblick nicht weiter, sondern ging direkt zum

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